Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

76 Oie Reichsversicherung. II. Buch. 
  
Es ist aber die Grenze der eigentlichen Arbeiterschaft weit nach oben hin überschritten, 
indem auch „andere Angestellte in gehobener Stellung“ einbezogen worden sind; ebenso 
Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge, Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken, so- 
gar Lehrer und Erzieher, Bühnen- und Orchestermitglieder, ohne Rücksicht auf den Kunst- 
wert der Leistungen. Mit diesem Versicherungskreis deckt sich derjenige der Invaliden--- 
versicherung. Bei der Unfallversicherung konnte wegen des Zusammenhangs der Gefahr 
mit einem bestimmten Betriebe- nicht davon abgesehen werden, eine große Anzahl von 
solchen aufzuführen und lediglich die in ihnen Beschäftigten der Versicherungspflicht zu 
unterwerfen. Aber auch hier ist das zurzeit irgendwie Mögliche und Erreichbare geleistet; 
nicht nur auf dem Gebiete des Gewerbes im engeren Sinne, sondern auch auf dem der 
Landwirtschaft und des Seewesens. Sind doch in dem III. Buche der Reichsversiche- 
rungsordnung die Gewerbe-, landwirtschaftliche und See-Unfallversicherung mitein- 
ander verbunden. Naturgemäß hat das Versicherungsgesetz für Angestellte einen anderen 
Versichertenkreis ins Auge fassen müssen. A##n erster Stelle sind hier Angestellte in leiten- 
der Stellung, wenn diese ihren Hauptberuf bildet, zu nennen, sodann Betriebsbeamte, 
Werkmeister und andere Angestellte in einer ähnlich gehobenen oder höheren Stellung, 
ohne Rücksicht auf ihre Vorbildung; zum Teil gehören diese letzterwähnten Gruppen 
auch der Invalidenversicherung an, wenn eine Gehaltsgrenze von 2000 M. nicht 
überschritten ist. Es gehören wiederum unter dieser Voraussetzung beiden Versiche- 
rungen an die Handlungshehilfen und Gehilfen in Apotheken, Bühnen- und Orchester- 
mitglieder, Lehrer und Erzieher. Nur daß bei den Privatbeamten die Gehaltsgrenze 
5000 M. beträgt und daß sie beim Eintritt in die Beschäftigung das 60. Lebensjahr nicht 
vollendet haben und nicht berufsunfähig sein dürfen. In allen Zweigen der Versicherung 
stehen der Versicherungspflicht Versicherungsberechtigungen für besondere Fälle zur 
Seite, wie andererseits auch Befreiungen gegeben sind, wo der sozialpolitische Zweck 
auf andere Weise erreicht werden kann. 
Um den Wert der Versicherung zu 
ermessen, ist vom praktischen Stand- 
punkt aus die Frage der Leistungen von grundlegender Bedeutung. In dieser 
Beziehung ist gerade auf dem Gebiete der Krankenversicherung durch die Reichs- 
versicherungsordnung eine ganz außerordentliche Erweiterung eingetreten und durch 
die Hinterbliebenenversicherung eine neue, bisher unbekannte Fürsorge geschaffen 
worden; für die Unfallversicherung ist zwar ein weiteres an Gewährung gesetzlich 
nicht festgestellt worden, und es ist ja bekannt, daß gerade die Unfallrenten Gegenstand 
besonderen Begehrens sind und daher wohl auch als recht ansehnliche Zuwendungen 
angesehen werden dürfen. Die Angestelltenversicherung aber hat als neue Einrichtung 
zuerst für sich Vorteile einer noch nicht vorhandenen Art geboten. ANur das Aller- 
wichtigste mag hier eines Uberblicks gewürdigt werden. 
Leistungen der Versicherungszweige. 
Die Leistungen der Krankenversicherung sind nicht 
K #l i 
a) Krankenversicherung nur zahlenmäßig in den letzten 25 Jahren gewachsen, 
  
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