Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Steine und Erden. 181 
  
abgelöst worden durch ein Gießverfahren, das, heute in der ganzen Welt verbreitet, 
einen Deutschen, den Dr. Weber in Schwepnitz, zum Begründer hat. Es beruht auf der 
Erfahrung, daß formgerecht angefeuchtete Schamottemassen, wie sie zur Darstellung 
der Glashäfen gebraucht werden, durch geringe Zusätze von Alkalien, welche die Feuer- 
festigkeit der Hafenmasse kaum beeinträchtigen, in flüssige Massen übergeführt werden. 
Oiese flüssigen Massen gießt man in Formen aus Gips, in denen sie bald erstarren, 
ohne daß sich Ton- und Schamotteteilchen entmischen. Der Gips saugt die Flüssigkeit 
so weit auf, daß den Formen der fertiggestaltete Glashafen entnommen werden kann. 
Die gegossenen Schmelzgefäße übertreffen an Dichte und Haltbarkeit des Scherbens 
auch die besten durch Handarbeit hergestellten Häfen. 
Von deutschen Männern ist Ende der achtziger Jahre eine be- 
deutende deutsche Glas mosaikindustrie begründet worden, und 
zwar auf breiter wissenschaftlicher und technischer Basis. Auf Grund eines von dem 
rühmlichst bekannten Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes erlassenen Preis- 
ausschreibens hatte Professor Schwarz im JZahre 1885 mit peinlichem Fleiße die 
Zusammenstellung venezianischer Mosaikgläser festgestellt. Seine Arbeit gilt noch heute 
als ausgezeichnetes Lehrmittel für die Herstellung von Mosaikgläsern. Zn künstlerischer 
Beziehung schuf namentlich Professor Schaper neue Vorbilder für diese Industrie. 
Den technischen Teil brachte die Firma Puhl & Wagner zu Neu-Kölln mit großem 
Erfolg zur Geltung. Ihre Arbeiten für die Ausschmückung der Kaiser-Wilhelm-- 
Sedächtniskirche und des Doms zu Berlin, der Elisabeth-Kemenate auf der Wart- 
burg, der Dome zu Aachen und Bremen, der Michaelskirche zu Hamburg, anderer 
Kirchen, Rathäuser, Grabmonumente, öffentlicher und Privatbauten zeugen von der 
großen Bedeutung dieser deutschen Kunst. Die Palette umfaßt jetzt 12 000 verschiedene 
Farbtöne. ODie Erfolge sind um so höher anzuschlagen, als die Begründer des Unter- 
nehmens nicht eigentliche Fachleute, sondern der eine Maschineningenieur und der andere 
Kaufmann ist, und alles, was die beiden erreicht haben, ihrer staunenswerten Energie 
zu verdanken ist, die selbst nicht versiegte, als sich besonders im Anfange erhebliche Schwierig-- 
keiten entgegenstellten. 
Glasmoseik. 
  
Dem Glase verwandt, aber kein eigentliches Glas sind Quarz- 
schmelzen, die man heute zu verarbeiten versteht, weil es 
nicht schwer fällt, die zum Flüssigmachen erforderliche hohe Temperatur von etwa 
1700 Grad C mit Hilfe des Knallgasgebläses oder elektrischer Erhitzung zu erzeugen. 
Das geschmolzene Quarz läßt sich mittels der Glasmacherpfeife zu chemischen Geräten 
verblasen, die neue wertvolle Hilfsmittel für das Laboratorium und die Industrie 
sind. Denn sie sind unangreifbar durch Wasser und Säuren. Ihre hohe Feuerfestig- 
keit ermöglicht, sie bis über den Schmelzpunkt des Gußeisens hinaus zu erhitzen, ohne 
daß sie erweichen und ihre Form verlieren. Wegen ihres klaren, durchsichtigen An- 
sehens haben die Quarzschmelzen den Namen Quarzglas erhalten. Da ihr Aus- 
dehnungskoeffizient sehr gering ist, tritt bei plötzlichem Erhitzen oder Abkühlen nur 
Quarzschmelzen. 
  
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