112 Ueber die Verpflichtung restaurirter Regierungen
Artikels ausgenommen worden seien, woraus dann wieder
in der Grossherzoglich Hessischen Abstimmung von 1823 die
zurückschliessende Folgerung abgeleitet worden ist, dass wer
Art. 30 hier nicht anerkenne, sich auch nicht die Anwendung
des Art. 29 gefallen lassen könne !).. Was nun den ersten
Grund betrifft, so kann man allerdings durch eine rein gram-
matische Interpretation des Artikels 30, in welchem vorausgesetzt
wird, „dass die Verpflichtung, den Forderungen von Prival-
personen Genüge zu leisten, zwischen mehreren Bundes-
gliedern zweifelhaft oder bestritten sei,* zu der Folge-
rung gelangen, dass die Anwendung des Artikels wegfalle, wenn
die mehreren Bundesglieder darüber einig sind, dass keines
von ihnen der Privatperson etwas schuldig sei ?),. Nimmt man
dann hinzu, dass sich die betheiligten Staaten, Hannover, Kur-
hessen und Braunschweig von Anfang an geweigert haben, für
die gewaltsam occupirt gewesenen Provinzen eine Verpflichtung
aus den Handlungen der wesiphälischen Zwischenherrschaft an-
zuerkennen, und dass Preussen mit ihnen in dem Staatsvertrag
vom 29. Juli 1842, im Art. 18, Nr. 2 und im Art. 13 unter
5 Nummern eine Reihe von Forderungen bezeichnet, „zu deren
Vertretung sich keine der Regierungen verpflichtet hält,“ zu
welchen auch namentlich (Nr. 4) die Forderungen wegen re-
quirirter Lieferungen und Leistungen für die westphälische oder
französische Militärverwaltung und (Nr. 5) die westphälischen
Zwangsanleihen von 1808, 1810 und 1812 gerechnet werden;
— so könnte man allerdings zu dem Schluss gelangen, dass die
betheiligten Staaten auch jetzt das Recht hätten, der Einleitung
eines austrägalgerichtlichen Verfahrens zu Gunsten der west-
phälischen Staatsgläubiger und der zuvörderst durch die oberste
Bundesbehörde zu versuchenden Ausgleichung auf gütlichem
Wege zu widersprechen.
Allein die Geltendmachung dieses Grundes würde sich kaum
mit der, von Staatsregierungen vor Allem in ihren Handlungen
zu wahrenden, bona fides vertragen und die wohlthätige auf
1) Protocoll der Bundesversammlung vom 4. Dechr. 1823. $. 164. S. 657.
2)H. A. Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Thl. II.
6. 250. 8. 317.