Object: Modernes Fürstenrecht

8 55. Die übrige Rechtsstellung zum Staate, 445 
ß) Der Landesherr besitzt aktives Wahlrecht zu Land- 
und Reichstag, aber mit Sicherheit ist anzunehmen, daß eine 
für denselben oder einen Regierungsverweser abgegebene 
Reichstagswahlstimme, bezw. eine in dem Staate, welchem er 
bezw. ein Regent vorsteht, für ihn bezw. diesen Regenten 
abgegebene Landtagswahlstimme ungültig ist, bei Ermittlung 
der Wahlergebnisses also außer Ansatz zu bleiben hat. Kein 
Landesfürst oder Landesverweser besitzt passives Reichstags- 
wahlrecht, keiner ist ın seinem Lande für den Landtag 
wählbar. 
aa) Nicht kann nach Analogie des Satzes: Niemand kann 
gleichzeitig Mitglied von Bundesrat und Reichstag (Reichsverf. 
Art. 9), bezw. von Herren- und Abgeordnetenhaus (preuß. 
Verf. Art. 78) sein, geschlossen werden: der Landesherr, 
Regent, Kaiser kann wohl zum Reichstag gewählt werden, 
für ihn abgegebene Reichstagswahlstimmen sind wohl nicht 
ungültig, aber nimmt er die Wahl an, so ist er verpflichtet, 
abzudanken, weil niemand zugleich Leiter des landesfürstlichen 
Stimmrechts im Bundesrate und Stimmenvertreter des 
deutschen Volkes zu sein vermag. Diese Auffassung vertritt 
H. Edier von Hoffmann in einem Aufsatze ım Archiv für 
öffentl. Recht Bd. XVII (1903) S. 259 über die Frage 
„Gibt es ein passives Reichstagswahlrecht der deutschen 
Landesherren?“ Allein der bedeutsame Unterschied ist dieser: 
Mitgliedschaft im Herrenhaus und Abgeordnetenhaus bezw. 
Zugehörigkeit zu Bundesrat und Reichstag sind nicht ihrem 
Wesen nach unverträgliche Staatsstellungen; nur unzweck- 
mäßig ist es, wenn beide in einer Person zusammentreffen; 
ohne besondere Gesetzesvorschrift könnte somit wohl ein 
und dieselbe Persönlichkeit beide Stellungen einnehmen, so 
gut sie Bundesratsbevollmächtigter und Abgeordnetenhaus- 
mitglied auch jetzt noch zu sein vermag. Anders dagegen 
das Verhältnis von Fürst und Volksvertreter. Dies sind ihrem 
Wesen nach unvereinbare Stellungen. Der Volksvertreter 
soll ja das Volk gegen den Fürsten vertreten. Der Fürst kann 
somit kein Volksvertreter gegen sich selbst sein. Und dann: 
der Bundesratsbevollmächtigte oder das Herrenhausmitglied 
bildet nur er» Mitglied eines großen Kollegiums und der
	        
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