Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

vor Aristoteles und Platon, 119 
wird klar, wenn man dies alles auf seine gemeinsame Basis 
zurückführt. 
So wenig nämlich, wie es einen abstracten Staat giebt, so 
wenig giebt es eine abstracte politische, sociale oder volks- 
wirthschaftliche Frage für den wirklich Staatskundigen. Al- 
lerdings kann man solche Fragen sehr wohl aufstellen, wie z. B. 
die: was ist der Staat, oder was ist der beste Staat, oder was 
ist die Gesellschaft, oder die beste Gesellschaft. Allein die Un- 
tersuchungen über diese Fragen sind doch immer nur, die 
Schule, die jeder durchmacht, ehe er an die wirklichen Staats- 
fragen geht; und es giebt gar kein andres unterscheidendes 
Kennzeichen zwischen dem wissenschaftlich gebildeten und dem 
nicht wissenschaftlich gebildeten Staatsmanne, als dass der erste 
diese Schule durchgemacht, und ihre Resultate sich als die künf- 
tige Grundlage seiner Anschauungen erworben hat, während der 
zweite sich um dieselben nicht kümmert, und innerhalb der ge- 
gebenen Verhältnisse die begränzte, dadurch freilich mehr fass- 
bare oder auch endliche Wahrheit findet. Für jeden Menschen 
nun gibt es eine Zeit, wo er aus der Schule heraustrilt. Diese 
Zeit der geistigen Mündigkeit des Staatskundigen ist die, wo die 
allgemeinen Begriffe von Staat, Macht, Gesellschaft u. s. w. in 
ihm zum Abschluss gekommen sind. Unter tausenden ändert 
kein Einziger seinen einmal gewonnenen Begriff dieser Dinge, 
und wir fügen hinzu, unter tausenden denkt kein Einziger 
zweimal in seinem Leben ernstlich, das ist in sireng wissen- 
schafllicher Weise, über diese Fragen nach; eben so wenig als 
er zweimal in seinem Leben einen Kursus irgend einer. Theorie 
als Disciplin, oder einer Sprache, von vorne an durchmacht. Und 
dieses ist eben darum so allgemein, weil es das Naturgemässe 
ist. Denn die Schule giebt nur die Fähigkeit, das Wirkliche zu 
begreifen; das Leben aber kann mit seiner Endlichkeit nicht 
bestimmt sein, nur Fähigkeiten zu erwerben. 
Sondern die Fragen, welche an den Menschen herantreten 
so wie er mit seiner innern Schule und Ausbildung fertig ist, 
sind durchaus anderer Natur. Das aber, wodurch sie so sehr 
verschieden sind von der Theorie, liegt nicht so sehr in ihrem 
Inhalt. Denn der geistige Inhalt ist am Ende immer derselbe
	        
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