Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

122 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen 
nachdem dieser zweite Act der Erziehung oder der Schule im 
Menschen durchgemacht ist, darf er sich in seiner Individualität 
für fertig halten. Er ist nicht blos mündig, er ist auch reif. 
Das ist die Zeit der höchsten Blüthe seines Wesens, ‘zu dem 
jetzt die Zeit die ihn umgiebt, zwar ihre Mängel aber auch die 
Möglichkeit der Bethätigung seiner Auffassungen hinzugefügt hat, 
indem sie seinen geistigen Besitz mit sich und ihrem begränzten 
aber auch festen Stoffe erfüllt hat. Und wer diese Stufe in 
seinem Leben erreicht hat, der wird in sich wenig mehr ändern, 
aber dafür neben und um sich um so mehr anregen, erschaffen 
and erhalten. Jeder aber durchlebt in seiner Weise diese Stu- 
fen und Kämpfe ; und Vielen würde viel innerer Zweifel und 
viel Verkehrtheit und Stolz erspart werden, wenn sie sich klar 
bewusst wären, dass es nothwendig ist für den Geist, dies alles 
zu erfahren. Denn es hat der Geist seine Jahre und Tage so gut 
als der Körper '!). 
Und welches nun ist die Anwendung dieser Sätze auf un- 
'sere Frage ? 
Wir glauben weder dass es Schwierigkeit hat sie zu finden, 
noch auch die gefundene anzuerkennen. 
Jene praktischen Verhältnisse des Lebens überhaupt und des 
Staats im Besondern sind in der That weder zufällig noch gleich- 
artig. Es soll nicht unsere Sache sein, hier nach den Gesetzen 
zu fragen nach welchen sie einander folgen. Allein es wird 
keinem Zweifel unterliegen, dass jede Zeit ihre besondere Ord- 
nung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens hat, und dass 
es keiner gegeben ist, sich derselben zu entziehen. Wer aber 
überall sich mit diesen Angelegenheiten: beschäftigt, der wird 
sich noch weniger den grossen Gegensätzen und Fragen ent- 
ziehen können, die dieser Zeit angehören. Daher denn ergiebt 
sich, dass es gerade diese historisch gegebenen Zustände und Ge- 
gensälze sind, welche die reine Theorie des Staats erfassen, und 
sie gleichsam zwingen, die Gesammtsumme der geistigen Kraft 
und Erfahrung welche die reine Wissenschaft der Zeit enthält 
  
1) Auch Aristoteles kennt dies sehr gut. Denn das Obige ist es, was 
er meint, wenn er bei der Behandlung der Sklavenfrage I. 2. 8. sagt: man 
müsse die Sache xai 75 Aoyw Jewproa, xar dx Tür yırousvuy zarauadeiv.
	        
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