162 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen
Gerichtshof eingeselzt werden, vor welchen alle Rechissachen
die nicht gut entschieden zu sein scheinen, gebracht werden
sollen. Diese Stelle ist merkwürdig, weil sie unsers Wissens
das einzige Mal ist, wo die Alten, — wir nehmen die Römer
nicht aus — den Gedanken eines Appellationsgerichts
ausgesprochen haben, was sonst mit dem Wesen eines Volks-
gerichts in direclem Widerspruch steht !). Der letzte wichtige
Punkt ist in dieser Verfassung, dass alle Staatsbeamten durch
alle jene drei Abtheilungen des drjuog (druov d° ermoleı Ta Tola Eon
is nroAswg) gewählt werden sollten. Daneben führt Aristoteles
einige minder wichtige Punkte an über die Abstimmung der
Richter jenes Appellationsgerichts, die auf Täfelchen geschehen
solle, ein Geselz, dass die Erfinder nützlicher Dinge geehrt werden
und dass die Kinder der im Kriege Gefallenen auf öffentliche
Kosten ernährt werden sollen (was übrigens, wie Aristoteles
selbst bemerkt, schon ohnehin in Athen der Fall war). — Wir
übergehen die Kritik, die Aristoteles an seine Angaben knüpft
und die sich im Wesentlichen darin zusammenfasst, dass die
Krieger, als der ausschliesslich die Waffen führende Theil, die
andern bald beherrschen werde. Es ist indess klar, dass schon
hier die Grundgedanken des Platon in Beziehung auf die Scheidung
der Stände vorliegen, nur mit dem allerdings wesentlichen Unter-
schiede, dass das Volk nicht aus einem, sondern aus allen
drei Ständen gebildet sein soll. Mit Recht aber weist schon
Aristoteles darauf hin, dass wenn die Krieger ihren Besitz selbst
bebauen sollen, sie selbst Landleute, wenn die Landleute aber
ihn für sie bebauen sollen, jene die Diener von diesen werden.
So waren hier noch grosse Unklarheiten; wie viel von den Ein-
würfen des Aristoteles richtig sein mag, können wir natürlich
nicht beurtheilen. Von Platon unterscheidet sich Hippodamos
offenbar durch die (scheinbare ) Aufrechthaltung des Privat-
eigenthums und die wirkliche Erhaltung der Ehe. Immerhin
war jedoch schon dieses Werk eine wichtige Vorarbeit für die
Ideen des Platonischen Staates, und sie war keineswegs die
1) Es ist nicht ohne Interesse dabei zu bemerken, dass auch Aristoteles
die Richtigkeit des Vorschlages gar nicht verstanden hat, seine Kritik des-
selben ist ein gänzliches Missverständniss. Vgl. 8. 9. 10.