168 Die staatswissenschaftliche Theorie der Griechen
gleichen Untersuchungen unterworfen ward. Und in der That
war dies der Fall. Ja es kann kaum einem gegründeten Zweifel
unlerliegen, dass es schon vor Aristoteles eine ziemlich allgemein
verbreitete Ansicht gab, die durchaus mit der Idee der Sklaven-
emancipation unserer Zeit, der Anti-Slavery-Association und
ähnlicher übereinstimmte, nur dass sie, wie es scheint, innerhalb
der engen Grenzen der Theorie blieb, und nur gelegentlich auf
die, in Athen eben verhältnissmässig milden Gesetze über Sklaven
einwirkte.
Aristoteles betrachtet die Sklaverei als Theil der Lehre von
der Hauswirthschaft, und die Sklaven selbst als Theil des Haus-
wesens. Diese Meinung ist nun offenbar wieder nicht ursprünglich
seine eigene, sondern sie ist der Reflex des Kampfes zwischen den
beiden Theorien, die er in folgender Weise aufführt. Er sagt '):
„den Einen nämlich erscheint die Herrschaft des Herrn über
die Sklaven als eine Wissenschaft (£rrıorzum), und als identisch
mit der Hausverwaltung, der Kunst des Staalsmannes und des
Königs, wie wir das zu Anfang bemerkten. Den Andern
erscheint das Herrschen über Sklaven wider die Natur (rao«
gyüoıw). Denn zwar sei durch das Gesetz der Eine Sklave,
der Andere frei, der Natur nach aber sei kein Unter-
schied. Und desswegen sei sie (die Sklaverei) auch nicht
gerecht. Denn sie heruhe nur auf der Gewalt“ (Aicıov yap).
Denselben Gegensatz der Ansichten führt er elwas später
noch einmal an ?), indem er, das Princip seiner eigenen Ansicht
zusammenfassend, sagt:
„Dass es nun Menschen giebt, von denen die einen von Natur
frei, die andern von Natur Sklaven seien, denen es So-
wohl nützt als gerecht ist, Sklaven zu sein, ist
einleuchtend, dass indessen auch die Vertheidiger des
Gegentheils (oi Tavarıiz gpaoxovreg) in gewisser Beziehung
Recht haben, ist nicht schwer einzusehen. — Ursache dieses
Zwiespalts aber, und was für beide Ansichten Gründe
aufzustellen verstaitet, ist u. s. w.
1) Pol. I, 2. 3.
2) Ib. €. 15. 16.