Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

über Armenpflege und Heimathsrecht. 97 
sieht, von seinem Verdienste zu solchem Zwecke etwas zu er- 
übrigen und mit Nutzen zu verwenden. Er kann seiner Pflicht 
als Familienhaupt nicht im vollen Umfange genügen; er ver- 
kennt daher leicht, wie heilig und dringend dieselbe ist, und 
unterlässt zuletzt auch, so viel dafür zu thun, als noch in 
seinen Kräften stehen würde. Die Gesellschaft kann sich der 
Anerkennung nicht entziehen, dass sie die Mitschuld seines 
Unvermögens’ und seiner Versäumniss trägt; sie kann daher nicht 
umhin, gewisse Ansprüche der hilflos gewordenen Wittwen und 
Waisen auf ihre Unterstützung einzuräumen, ohne darauf zu be- 
stehen, dass dieselben in den Leistungen des Familienhauptes 
ihren Grund und ihre Grenze finden müssen. 
Die bisher untersuchten drei Quellen, aus denen Ansprüche 
auf Unterstützung von Seiten der Gesellschaft, insbesondere von 
einer bestimmten politischen Körperschaft, hergeleitet werden 
können, obwohl in ihrem Ursprunge sehr verschieden, haben 
doch das miteinander gemein, dass sie die Natur eines Rechtes 
des Bedürftigen haben (oder haben sollten), welches durch 
Leistungen erworben ist. Es folgt hieraus unmittelbar, dass 
dieser Anspruch wie jedes Recht sein bestimmtes Maass hat, 
welches in seinem Ursprunge, also hier im Werthe der Leistung 
gegeben ist. 
Als die vierte Quelle der Ansprüche auf Unterstützung 
bezeichneten wir das Gebot unserer Religion: „Du sollst deinen 
Nächsten lieben, als dich selbst.“ Dieses Gebot begründet indess 
kein Recht des Bedürfliigen, wenn auch die Pflicht des Wohl- 
habenden. Träger dieser Pflicht war früher und mit Recht die 
Kirche. Die Wurzel dieser Pflicht ist die Einheit des mensch- 
lichen Geschlechtes nach seiner Abstammung und seinem Beruf. 
Dasselbe ist, vom religiösen Standpunkte aus betrachtet, nicht 
nur eine Familie, sondern ein Ganzes, ein Leib, welcher der 
Vollendung nur entgegengeführt werden kann, wenn alle seine 
Glieder der Gesundheit und einer ihrer Bestimmung entsprechenden 
Entwickelung sich erfreuen. 
Den Beruf, das ganze menschliche Geschlecht durch das 
Band der Liebe zu umfassen, und der Vollkommenheit entgegen- 
zuführen, hat die Kirche. Die Aufgabe des Staates bewegt
	        
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