440 Stadien über württembergische Agrarverhältnisse.
setzliche Schranke die Freiheit beschränkt, diese am Ende zu
missbrauchen und dadurch wie ökonomisch so moralisch herab-
zukommen, darüber kann sich Niemand täuschen. Desshalb kann
man nicht sagen, die Freiheit des Verkehrs und der Niederlassung
stelle in der bezeichneten siltlichen Beziehung die günstigsten
Bedingungen dar, während Beschränkungen dieser Freiheit das
Gegentheil bewirken, sondern man wird sagen müssen, die volle
Freiheit mit ihrem erfahrungsmössig damit verbundenen Missbrauch
bringt schliesslich ganz die gleichen schlimmen Folgen für die
Sittlichkeit des Volks, wie weit gehende Beschränkungen der
Freiheit dieselbe zu bringen pflegen. Liegt aber die Sache so,
dann wird man gegen ein beschränkendes Niederlassungs- oder
Agrargesetz nicht unbedingt die Pflicht geltend machen können,
die Interessen der Sitllichkeit im Volke zu schützen, sondern
man wird in dieser Pflicht sogar eine Veranlassung erkennen
müssen zu einem den Missbrauch der Freiheit möglichst aus-
schliessenden Gesetz. ,
Von selbst aber versteht sich, dass nicht alle Arten der Be-
schränkung in Bezug auf ihre sittliche Wirkung gleich sind. Es
besteht vielmehr hierin ein grosser Unterschied. Eheverbote vor
einem bestimmten höheren Lebensalter, oder vor Erfüllung ge-
wisser schwer zu erfüllender ökonomischer Bedingungen, wo-.
durch vielleicht ganzen Klassen der Bevölkerung die Aussicht
auf einen eigenen legilimen Hausstand vernichtet wird, müssen
anders wirken als mässige Forderungen, die in dieser Beziehung
‚gestellt werden, und wieder müssen solche das Subjekt unmittel-
bar treffende Beschränkungen anders wirken als objektive Be-
schränkungen wie Geschlossenheit der Güter, Verbot der Güter-
theilung unter ein gewisses Maass, gewerbliche Realrechte und
dergleichen Einrichtungen mehr. Doch glaube ich nicht, dass
sich hierüber etwas allgemein Gültiges sagen lässt. Je nach der
Natur und der geschichtlichen Entwicklung eines Gemeinwesens
werden solche Maassregeln in jedem Lande verschieden wirken.
Der zweite Einwand gegen beide Arten eines Minimum geht
dahin, dass es auf dem Wege der Verschuldung leicht umgangen
werden kann. Weniger ist diess der Fall, wenn das Gesetz sich
begnügt, in dem Moment der Niederlassung den Besitz als vor-