Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

Sıudien über württembergische Agraryerhältnisse. 441 
handen nachweisen zu lassen; doch ist es auch da schwer, 
sich vor einer Umgehung des Gesetzes zu sichern. Vollkom- 
men trift dagegen der Einwand bei dem objektiv bestellten Mi- 
nimum. \Venn dieses nicht überaus hoch bestimmt wird, so 
dass dem Besitzer auch bei starker Verschuldung doch noch 
immer ein grosser Werth frei bleibt, so nützt es wenigstens als 
Mittel zur Sicherung einer Familie nur wenig; denn darauf 
kommt es ja nicht an, dass ein kleiner Bauer mindestens so viel 
Land habe, dass er eben noch davon leben könne, sondern, dass 
er den ganzen Ertrag davon selbst beziehe. Nun gäbe es frei- 
lich ein Mittel, gesetzlich die Verschuldung zu verhindern: das 
nämlich, dass man geradezu bis zu einem gewissen Gütermaass Ver- 
pfändungen verböte, oder nach dem Vorgang einiger Staaten der 
nordamerikanischen Union die Bestimmung trüfe, dass bei Ganten 
jedem wenigstens eine gewisse mässige Summe als Competenz- 
betrag frei verbleiben müsse, was die vollkommene Kreditlosigkeit 
kleiner Bauern zur Folge hätte. Aber zu einer solchen Maass- 
regel, die den Meisten die einzige Möglichkeit rauben würde, 
sich aus kleinen Verlegenheilen zu rellen und zu grösserem 
Besitz emporzuarbeiten, wird unter unsern Verhältnissen Nie- 
mand ralhen wollen. Muss man also auf eine derartige Si- 
cherung gegen thatsächliche Umgehungen des Minimum Verzicht 
leisten, so bleibt der Einwand bestehen, und wenn man auch. 
nicht sagen will, dass dann das Minimum gar nichts nützt, so 
ist doch sein Nutzen zweifelhaft und man ist zur Frage berech- 
tigt, ob es wegen dieses prekären Vortheils der Mühe werth ist, 
dem Verkehr die starke Beschränkung aufzulegen, die durch Auf- 
stellung eines Minimum gegeben ist. 
Ein weiteres Bedenken gegen ein Minimum liegt in der 
Unmöglichkeit einer scharfen Abgrenzung des Standes der Land- 
wirthe von dem der Taglöhner. Würde man nämlich das Mi- 
niınum des Besitzes so stellen, dass es den nothdürftigen Un- 
terhalt einer Bauernfamilie sicherte, — und das müsste zum we- 
nigsten geschehen; sonst nülzte es überhaupt nichts, — so wäre 
dasselbe für eine Taglöhnerfamilie, die ihren Haupterwerb aus 
der Arbeit zieht, viel zu hoch. Auf solche Familien könnte man 
also das Minimum nicht anwenden, sondern müsste eine weit 
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