494 Völkerrechtliche Lehre
und wo dieses nöthig sein könnte, ist in dieser Wissenschaft
ganz unerörtert geblieben.
Eben so wenig hat von den zahlreichen: Bearbeitern der
Lehre von der Collision der Gesetze ( des internationalen
Privatrechtes) auch nur ein Einziger einen so allgemeinen Stand-
punkt genommen, dass für die hier vorliegende Frage ein Vor-
theil erwachsen wäre. Von selbst versteht sich freilich, dass
Diejenigen, welche lediglich die Billigkeit oder comitas nationum
als leitende Regel in dieser Lehre annehmen, also von den
Neueren Story, Burge, Rocco, Foelix und Ferrater,
nichts leisten konnten. Sie umgehen ja geradezu die eigentliche
Rechtsfrage. Desgleichen waren Diejenigen, welche die entschei-
dende Regel in dem Satze finden: der Richter habe nur das
Landesgesetz anzuwenden, — also Wächter, Pütter und
Pfeiffer — wenigstens nicht mit Nothwendigkeit veranlasst, sich
über die Ausdehnung dieses Landesrechis auszusprechen. Sie
überliessen diess der Gesetzgebung jedes einzelnen Slaates. Da-
gegen ist allerdings zu wundern, dass weder Struve, Schäff-
ner und Mailher de Chassat, welche einfach die diesseitige
Anerkennung fremden Rechtes fordern, noch Savigny, welcher
in jeder einzelnen Frage dasjenige Rechtsgebiet aufsuchen will,
welchem das concrete Verhältniss seiner eigenthümlichen Natur
nach angehöre, bis zur obersten Frage aufgestiegen sind. Es
scheint doch nahe zu liegen, dass eine grundsätzliche und aus-
reichende Antwort üher das einzelne Problem nur möglich, die
endliche Lösung des schon so lange geführten Streites ") nur
dann zu erwarten ist, wenn man es sich klar gemacht hat, welche
Rechtsaufgabe der Staat, namentlich in räumlicher Beziehung,
überhaupt bat.
Etwas weiteres, aber freilich nicht eben viel, ist von den
Bearbeitern des Völkerrechtes geleistet worden; wie es denn
freilich auch kaum anders möglich war. Geht doch schon das
Dasein dieses Rechtstheiles hervor aus einem weitern Gesichts-
kreise. Hier soll ja gerade, hinaus über das Recht unter den Ein-
1) S. über diesen Theil der Literatur meine Uebersicht in dieser
Zeitschrift, Bd. III (1846), S. 77 ft.