518 Völkerrechtliche Lehre
Strafübels. Die vom Gesetze angedrohten Strafen, und nur diese,
sind auszusprechen; die Bewegung innerhalb des Strafrahmens
muss nach den gewöhnlichen Normen geschehen. — Ferner er-
giebt sich bei näherer Prüfung, dass auf dem Boden dieser ganzen
Rechtsanschauung sowohl die Grösse der Sitrafübel, als das ein-
zuhaltende Verfahren bei den Verleizungen gegen eine fremde
Rechtsordnung vollkommen dieselben sein müssen, wie die für
einheimische Verbrechen vorgezeichneten. Wenn nämlich der
Staat überhaupt die Aufgabe hat, eine Weltrechtsordnung zu
wahren, so kann er keinen Unterschied machen, ob die Verletzung
gegen diese oder jene der grossen Gesiltungseinrichtungen be-
gangen ist. Wenn also z. B. der Staat die Vergehen gegen
seine eigene unmillelbare Ordnung von Amtswegen verfolgt, so
muss diess auch geschehen bei Vergehen gegen die Ordnung
eines andern Staales, falls diese überhaupt unter seine Gerichts-
barkeit fallen; und es ist nicht etwa erst eine Aufforderung von
der zunächst verletzien Regierung abzuwarten. Ebenso ist der
in Strafgesetzen oft festgehaltene Grundsatz, dass ein gegen den
eigenen Staate begangenes Verbrechen strenger zu bestrafen sei, als
das gleiche gegen einen fremden Staat begangene, bei der hier
zu Grunde liegenden Auffassung offeubar unlogisch. Der Unter-
than verletzt, wenn man sich auf den kosmopolitischen Stand-
punkt stellt, bei einer gegen den eigenen Staat begangenen
Handlung keine besondere und besonders zu schützende Pflicht.
Er hat überhaupt die Pflicht, die zur Aufrechterhaltung der Rechts-
ordnung und überhaupt zu Erreichung der Menschheitszwecke
bestellten Gewalten nicht zu stören, und er begeht z. B. also,
wenn er wesentliche Regierurfssrechte irgend. eines Staates an-
greift, immer dasselbe Verbrechen, Hochverrath oder wie man
es sonst technisch nennen will. — Endlich kann keinem Zweifel
unterliegen, dass die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften über
Begnadigung (so wie über Abolilion, wo eine solche rechtlich
möglich ist) auch bei Fällen dieser Art ihre volle, gewöhnliche
Anwendung finden. Es ist also namentlich ein Einverständniss
über die Ausübung dieses Rechtes mit dem verletzten fremden
Staate, oder eine Befugniss desselben zu irgend einer Ein-
mischung keineswegs vorhanden. Der Staat hält die Weltrechts-