vom Asyle. 524
Hiermit ist aber die zweite Frage, ob Angeschnldigte dieser
Art selbst zu processiren oder ob sie an den zunächst verletzten
Staat auszuliefern Seien, keineswegs auch schon entschieden.
Auch durch eine Auslieferung gewährt der Staat die Möglichkeit
einer Rechtssühne, und erfüllt dadurch also seine allgemeine
Pflicht. Ja es scheinen sogar trifiige Gründe gerade für diese
Maassregel zu sprechen. Vor Allem die Wiederherstellung des
äusseren) Nothwendigkeit, welche allerdings von Verschiedenen verschieden
aufgefasst wird, allein doch immer nur sich wieder auf diese objective Rechts-
ordnung bezieht. Von irgend einer Bezugnahme auf die Eigenschaften und die
Würde des Einwohners und Bürgers ist bei all’ diesem gar keine Rede. Nicht
weil Einer ein Preusse, ein Franzose oder Chinese ist, soll er nicht stehlen,
sondern weil Diebstahl eine Verletzung der von dem betreffenden Staate
anerkannten Rechtsordnung ist. — Sodann ist zu bemerken,’ dass die Be-
griffsbestimmung des Verfassers die Möglichkeit einer Strafe, jedenfalls alle
Abstufungen der Strafe aufhebt. Es ist nämlich nicht abzusehen, wie die
Zufügung eines physischen Uebels, also einer Strafe, gedankenrichtig die
Folge eines Ungehorsames sein könnte, da offenbar lediglich Bürgerrechts-
aufkündigung der noihwendige Schluss aus einer mit der Bürgereigenschaft
unvereinbaren Handlungsweise wäre. Wie also z. B. das Gesetz die An-
nahme eines fremden Staatsdienstes oder die Erwerbung eines fremden In-
digenates, oder eine thatsächliche bleibende Niederlassung im Auslande als
unvereinbar mit der Eigenschaft eines Staatsbürgers erklärt, und in solchen
Fällen der Ausschluss aus dem Unterthanenverhältniss erfolgt (nicht als Strafe,
sondern als logische Nothwendigkeit): so wäre auch bei Mord, Raub, Hoch-
verrath u. s. w. zu verfahren. Und zwur, wohlbemerkt, in allen Fällen
irgend einer Gesetzesübertretung immer mit Bürgerrerhtsaufkündigung, und
nur mit ihr. Eine Verbalinjurie und ein Meuchelmord wäre eine „un-
bürgerliche* mit der Eigenschaft eines Unterthanen „unverträgliche“ Hand-
lung Ein oberster Satz, welcher zu solchen Folgerungen führt, ist aber
nothwendig falsch. — Endlich folgt aber daraus, dass der Staat eine gewisse
Handlu :g für unvereinbar mit der Eigenschaft des Staatsbürgers erklärt hat,
noch keineswegs diese sogenannte Persönlichkeit des Strafgesetzes. Jene
Handlung ist dann doch nur unzulässig für den, welcher Staatsbürger ist, und
in so ferne er es ist. Im Auslande begangen, bezieht sie sich auf die dor-
tigen Auffassungen und Zustände; die Verhältnisse zu seinem Vaterlande
werden dadurch gar nicht berührt; er kang, nach seiner Rückkehr, sich
wieder vollkommen in seine normale Stellung zum Staate und dessen Ge-
boten begeben, und dieser hat gar keinen Grund zu‘ einem Tadel. Wenn,
wie doch nicht zweifelhaft ist, der fremde Staat die fragliche Handlung
seinerseits verbieten und bestrafen kann, so ist diess ja der deutlichste Be-
weis, dass die Handlung ihn berührt, und nicht uns.
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