Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

522 Völkerrechtliche Lehre 
Rechtes durch diejenige Gewalt, welcher die Wahrung desselben 
zunächst zustand und unter deren Botmässigkeit sich der Verletzende 
im Augenblicke seiner Handlung rechtlich und thatsächlich befand. 
Dann, in den meisten Fällen wenigstens, die leichtere Beischaffung 
der Beweise. Endlich die Schwierigkeit dem verletzten Staale eine 
richlige Stellung in der Verfolgung des Vergehens vor einem fremden 
Gerichte anzuweisen. Dennoch muss eine genauere Prüfung eine 
Auslieferung in dem vorliegenden Falle unbedingt verwerfen. 
Einmal gienge dieselbe gegen das Recht und die Pflicht eines 
jeden Staales, die eigenen Angehörigen zur Achtung des Rechtes 
durch die eigenen Gesetze und Einrichlungen anzuhalten, so weit 
irgend eine Möglichkeit dazu besteht. Diese Möglichkeit besteht 
nun aber hier, da die eigenen, jetzt wieder im Gebiete anwesen- 
den Unterthanen in die Gewalt des Staates zurückgekehrt sind. 
Sodann ist es, wenigstens bei Staatsvergehen, nicht undenkbar, 
dass gegen ausgelieferte Fremde nicht das Recht allein, sondern 
auch Rache und Fremdenhass das Urtheil bestimmen könnten, 
während zu einem Zweifel gegen die heimathlichen Behörden 
kein Grund ist. Da nun überdiess die für Auslieferung geltend 
zu machenden Gründe grossen Theils zu beseitigen sind, — und zwar 
die Rücksicht auf den zunächst berufenen Staat durch die Hin- 
weisung aüf den noch höhern Gedanken einer kosmopolilischen 
Rechtsordnung; die processualischen Bedenken aber durch ein 
vollkommenes Eintreten des diesseitigen Staates für die fremde 
Regierung und Führung ihrer Sache wie einer eigenen, — SO 
kann die Entscheidung nur dahin ausfallen, dass eigene Unler- 
ihanen, welche in einem fremden Staate Verbrechen begangen 
haben, durch die einheimischen Gerichte zur Strafe zu bringen 
sind. — Was nun aber die Kenninissnahme von den in fremdem 
Gebiete, somit ausser dem Bereiche der Beobachtung und der Organe 
des diesseitigen Staates, begangenen Verbrechen belriflt, so versteht 
es sich von selbst, dass es zunächst dem verletzten Staate obliegt, 
nicht nur die Anzeige von dem gegen sein Recht begangenen 
Frevel:; zu machen, sondern auch die Beweise der Schuld gegen den 
Angeschuldigten beizubringen, und zwar letzteres in der Art, wie 
es nach der Gerichtsordnung des diesseitigen Staates erforderlich 
ist, weil sonst eine Verurtheilung nicht erfolgen kann. Kömmt
	        
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