552 Völkerrechtliche Lehre
gehörigen Fälle unzweifelhaft, einer Seits, dass sie für den be-
drohten Staat sehr gefährlich sind, weil er zum grossen Theile
ihre Verhinderung, jeden Falles ihre Bestrafung -gar nicht in
seiner Macht hat, die Aussicht auf solche Freiheit und Straflosig-
keit aber natürlich eine grosse Aufmunterung zu beliebigen und
immer wiederholten Versuchen ist. Die in die zweite Gruppe
gehörigen Fälle sind dagegen offenbar in so ferne weit weniger
bedenklich, als der Natur der Sache nach wenigstens eine be-
deutende materielle Gefahr für ‘den verletzten Staat hier nicht
vorhanden sein kann. Es mag sein, dass ein wichtiges Recht
verletzt oder ein grosses Verbrechen gegen den Staat und die
Träger seiner Gewalt wirklich begangen worden ist; allein jeden
Falles kann der Verletzende nicht Sieger geblieben oder der
Staat noch weiterhin in Gefahr sein, indem ja jener zur Flucht
ausserhalb Landes genöthigt war. Es bleibt hier also nur der,
freilich nicht gering anzuschlagende, ideelle Nachtheil der be-
gangenen Rechtsstörung, dass keine Strafe auf das Verbrechen
folgt. — Mit den Unzuträglichkeiten der Beihülfe verhält es sich
nun aber beinahe umgekehrt. Die Mitwirkung bei Fällen der
ersten Gruppe mag allerdings in vielen Fällen beschwerlich, in
einzelnen sogar weit aussehend und sehr kostspielig sein; auch
wird es an verdrüsslichen und unbilligen Ansinnen anderer Staaten
nicht fehlen ; dagegen ist es ein guler Umstand, dass der mitwirkende
Staat die ganze Behandlung des einzelnen Falles und selbst die
Aufstellung der allgemeinen Grundsätze, nach welchen er handelt,
völlig in seiner Gewalt hat. Er kann hier bei seinem kosmopo-
litischen Streben nach allgemeiner Rechtsordnung niemals über
Recht und Sittlichkeit hinausgedrängt werden, und kommt nicht
in Gefahr, seine wohlgemeinte und ehrliche Beihülfe zum Rechte
zu Verfolgungen und Grausamkeiten missbrauchen zu sehen. Bei
den Fällen der zweiten Gruppe dagegen ist allerdings die Mühe
und der Aufwand blosser Nachspürung und Auslieferung nicht
nennenswerth; wohl aber können theils die sittlichen Bedenken
ungewältigbar sein, theils mag nicht selten die Verlegenheit und
Unzuträglichkeit, ein amtliches Urtheil über die Gesinnungen der
Machthaber oder über die Rechtmässigkeit der staatlichen Zu-
stände eines andern Landes zu fällen, sich als höchst bedeutend