Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 45. Gutsbezirke. 165 
Gutsuntertanen, dem Landgemeindebezirke.“ 1) Die Gutsbezirke haben 
sich im Wege der geschichtlichen Entwicklung aus den früheren 
herrschaftlichen Gütern als Träger öffentlichrechtlicher Pflichten und 
Leistungen (KO. 8 31) herausgebildet. Der Ursprung der herrschaft- 
lichen Güter („Domänen und Rittergüter") beruhte auf der obrigkeit- 
lichen Gewalt, welche dem Besitzer dieser Güter über deren Territorium 
und die in demselben angesessenen Personen verliehen worden war oder 
aus sonstigen Rechtsgründen (Provinzialgesetz, Verjährung) zustand. 
Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts sind als selb- 
ständige Gutsbezirke nur diejenigen Güter anzuerkennen, welchen vor 
Aufhebung der Erbuntertänigkeit das Recht. „Untertanen zu haben“ 
zustand (ALR. II 7 8§8§ 91, 92), oder welchen diese Eigenschaft durch 
Königlichen Erlaß besonders verliehen ist. (Vgl. Entsch. des OG. 
Bd. 1 S. 102; 2, S. 117; 7, S. 177; 8, S. 80; 10, S. 126; 
14, S. 223; 21, S. 115; 22 S. 198 u. a. m.) 
2. Im Gutsbezirk ist der Gutsbesitzer (Gutsvorsteher) als 
solcher allein Träger der öffentlichen Rechte und Pflichten und ist die 
Obrigkeit des Bezirks. Er hat in dieser Eigenschaft dieselbe Stellung 
wie der Gemeindevorsteher und hat alle obrigkeitlichen Rechte und 
Pflichten dieses wahrzunehmen und zwar entweder in Person oder durch 
einen von ihm zu bestellenden geeigneten Stellvertreter, der seinen be- 
ständigen Aufenthalt im Gutsbezirke oder in dessen unmittelbarer Nähe 
haben muß, auszuüben. Es können jedoch auch sämtliche oder einzelne 
Gutsvorstehergeschäfte an den Vorsteher einer benachbarten Gemeinde 
unter beiderseitiger Zustimmung gegen eine angemessene Entschädigung 
übertragen werden. Rücksichtlich dieser Rechte und Pflichten werden 
Ehefrauen durch ihren Ehemann (auch wenn sie noch minderjährig sind), 
Kinder unter väterlicher Gewalt durch ihren Vater und bevormundete 
Personen durch ihren Vormund oder Pfleger vertreten. Unverheiratete 
Besitzerinnen haben einen Stellvertreter zu bestellen. Unerläßlich ist 
ferner die Bestellung eines Stellvertreters, wenn das Gut einer 
juristischen Person, einer Aktiengesellschaft oder einer Kommandit- 
gesellschaft auf Aktien gehört, oder wenn mehrere Mitbesitzer sich nicht 
darüber einigen, wer von ihnen die Geschäfte des Gutsbesitzers über- 
nehmen soll, wenn der Gutsbesitzer nicht Angehöriger des Deutschen 
Reiches ist, oder wenn derselbe nicht seinen beständigen Aufenthalt im 
Gutsbezirke oder in dessen unmittelbarer Nähe hat, oder wegen Krank- 
heit oder aus andern in seiner Person liegenden Gründen außerstande 
ist, die Pflichten eines Gutsvorstehers zu erfüllen. Für den Fall der 
Behinderung des ernannten Gutsvorstehers kann auch diesem ein Stell- 
vertreter bestellt werden. Erscheint es im Interesse einer ordnungs- 
mäßigen örtlichen Verwaltung erforderlich, so kann für die vom Haupt- 
gute entfernt belegenen Teile eines selbständigen Gutsbezirks von dem 
Kreisausschusse die Bestellung besonderer Stellvertreter angeordnet 
werden. — Zur Übernahme des Amts als Gutsvorsteher bedarf sowohl 
der Gutsbesitzer, als der etwa berufene Stellvertreter der Bestätigung 
  
  
1) v. Möller, Landgemeinden und Gutsherrschaften, § 131.
	        
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