§ 71. Ordnungs= und Sittenpolizei. 279
da durch die Ablieferung der Sache oder des Versteigerungserlöses an
die Polizeibehörde die Rechte des Finders nicht berührt werden. Läßt
die Polizeibehörde die Sache versteigern, so tritt der Erlös an die
Stelle der Sache. Die Polizeibehörde darf die Sache oder den Erlös
nur mit Zustimmung des Finders einem Empfangsberechtigten heraus-
geben (§ 975 BGB.). Verzichtet der Finder der Polizeibehörde gegen-
über auf das Recht zum Erwerbe des Eigentums an der Sache, so
gett gin Recht auf die Gemeinde des Fundortes über (§ 976 Abs. 1
GB).
Theaterzensur. Zu der Ordnungs= und Sittenpolizei gehört auch
die den Polizeibehörden zustehende Theaterzenfur. Es handelt sich
hierbei um die öffentliche Aufführung von Schauspielen und Theater-
stücken, welche dem allgemeinen Publikum gegen Zahlung eines Ein-
trittsgeldes zugänglich gemacht sind. Die Befugnisse der Polizei,
derartige öffentliche Aufführungen von Schauspielen und Theaterstücken
zu verbieten, gründet sich lediglich auf § 10 II, 17 preußischen ALs.
bezw. § 6 des Ges. vom 11. März 1850. Besondere Vorschriften,
die das Recht der Polizei einengen oder beschränken, gibt es nicht.
Weder die für die Konzessionserteilung bezw. -entziehung der Schau-
spielunternehmer gegebenen Vorschriften der Reichsgewerbeordnung,
noch etwaige Bestimmungen des Reichspreßgesetzes oder die Vorschriften
des Art. 27 der preuß. Vll. haben mit dem hier fraglichen polizeilichen
Verbot etwas zu tun und können zur Rechtfertigung desselben ver-
wendet werden (vgl. Sten. Ber. des Reichstages 1880 S. 920 und
927 und Drucks. des Reichstages 1887/88 Nr. 30 S. 80 und O.
E. vom 1. Dezember 1892 Bd. 24 S. 311 in v. Kamptz Bd. 4
S. 51.) Nach Lage der gesetzlichen Bestimmungen kann das Verbot
nur darauf (§ 10 II, 17 AL#R.) gestützt werden, daß die Wirkung
der Darstellung auf die Zuschauer eine Gefahr für die Erhaltung der
öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung herbeizuführen geeignet ist.
Und zwar kann diese Gefahr sowohl darin bestehen, daß äußere Aus-
schreitungen durch Lärm oder Ruhestörungen zu erwarten sind, als
auch darin, daß durch die Darstellung in dem Innern der Zuschauer
Anschauungen, die zu einem die Sittlichkeit oder die staatliche Ordnung
gefährdenden Verhalten zu führen geeignet sind, wachgerufen oder befestigt
werden. Wann die letztgedachten Voraussetzungen vorliegen, kann oft
sehr streitig sein. So ist z. B. nicht als genügend angesehen worden,
daß es unerwünscht wäre, wenn in gegenwärtiger Zeit das Thema des
Ritualmordes zum Gegenstande der Darstellung auf der Bühne gemacht
wird. Andernfalls würde bei den das gegenwärtige Volksleben, ins-
besondere in großen Städten auf politischem, religiösem und volkswirt-
schaftlichem Gebiete bewegenden lebhaften Gegensätzen und Parteiungen
kaum eine Grenze zu ziehen und ein großes Gebiet geistigen Lebens
und historischer Vorgänge von der Darstellung auf der Bühne aus-
geschlossen sein (OVG. E. vom 22. September 1900 PVBl. XXII
S. 204 in v. Kamptz Erg. Bd. 1 S. 400).
Die Rechtsmittel gegen die polizeiliche Verfügung, durch welche die
Aufführung von Theaterstücken aus sitten= und ordnungspolizeilichen