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lich hier nicht auf alle Einzelheiten eingegangen werden, aber um die Be-
hauptung nicht beweislos hinzustellen, sollen wenigstens ein Paar Beispiele
angeführt werden. Die unglückliche Fassung des Art. 48 hat bekanntlich
eine umfangreiche Literatur über den Abschluss von Staatsverträgen in zum
Teil mustergiltigen Monographien hervorgebracht. Davon erfährt man beim
Verf. nichts, der denn auch selbst den Kernpunkt der Streitfrage, ob die
parlamentarische Zustimmung zum Abschlusse oder zur Ausführung des Ver-
trages erforderlich ist, gar nicht erfasst hat. Art. 55, der dem Könige ver-
bietet, ohne Zustimmung des Landtages Herrscher fremder Reiche zu sein,
hat aus Anlass des Lauenburgischen Falles eine eingehende parlamentarische
Erörterung unter Beteiligung von Bismarck erfahren. Verf. erwähnt diesen
Lauenburgischen Fall zu Art. 55 mit keinem Worte, trotz der Wichtigkeit
der Präzedenzfälle für das Staatsrecht. Gerichtliche Entscheidungen anzu-
führen, wie die des Oberverwaltungsgerichtes über die Beilegung von Titeln
an Beamte von Kommunalverbänden oder Privatpersonen oder die des
Reichsgerichtes über die Unzulässigkeit der Kompensation einer im Land-
tage gethanen Beleidigung durch ein Gericht, scheint der Verf. sogar grund-
sätzlich zu vermeiden.
Gewiss kann an einen Kommentar nicht durchschnittlich die Anforde-
rung gestellt werden, dass er eine hervorragende wissenschaftliche Leistung
ist. Aber soviel kann man verlangen, dass er wenigstens das Material an-
nähernd enthält und jedem, der ihn benutzt, die Mittel und Wege angiebt,
sich selbständig weiter zu belehren. Darin bestand gerade der Wert des
Rönneschen Staatsrechtes, so lange es auf der Höhe der Zeit stand, dass es
in dieser Beziehung niemals im Stiche liess. Ein Kommentar der Verfassungs-
urkunde von der gleichen praktischen Brauchbarkeit wie einst die systema-
tische Darstellung von Rönne bleibt daher zum Mindesten noch ein Bedürfnis
der Zukunft,
Demnächst kommen eine Reihe für das Verfassungsrecht wichtiger Ge-
setze und Verordnungen zum Abdrucke, so das Gesetz über Erwerb und Ver-
lust der Bundes- und Staatsangehörigkeit, das Vereinsgesetz, die Bestim-
mungen über die Zusammensetzung der beiden Häuser des Landtages und
einige bedeutendere Hausgesetze. Dieser Abdruck ist höchst dankenswert.
Man findet hier nicht nur die einschlägigen Bestimmungen beisammen, einige,
wie z. B. die Hausgesetze, für welche man bisher auf die SchuLzesche Samm-
lung angewiesen war, werden jetzt erst weiteren Kreisen zugänglich gemacht.
An die Hausgesetze schliesst sich die Mitteilung eines Ehevertrages des
königlichen Hauses, von Titel und Wappen, der Urkunden betr. die Wieder-
herstellung der Kaiserwürde, eine Uebersicht der Verwaltungsbezirke und
Gerichtsbehörden und endlich eine Stammtafel des preussischen Königs-
hauses an.
Die abgedruckten Gesetze und Verordnungen sind zum grossen Teile
gleichfalls erläutert. Die Mängel, die dem Kommentar zur Verfassungsurkunde