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Einen viel umstrittenen und sehr wichtigen Punkt
in der Jagdgesetzgebung bildet die Frage wegen Er-
satzes des Wildschadens, worunter man die-
jenigen Beschädigungen zu verstehen hat, die durch
das Wild, namentlich im Falle übermäßigen He-
gens von seiten des Jagdberechtigten, an den
Grundstücken oder den auf denselben befindlichen
Früchten und Pflanzungen angerichtet werden.
Nicht hierher gehört derjenige Schaden, der durch
die Jagdausübung selbst, also durch die Jäger,
das Treiberpersonal und die mitgeführten Hunde
verursacht wird und dessen Ersatz sich nach den
allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts über die
Schadenersatzpflicht regelt. Mit der Einschränkung
des freien Okkupationsrechts und der Einführung
ausschließlicher Jagdberechtigungen, die eine He-
gung des Wildes gegen den Willen des Besitzers
des der Jagd unterworfenen Grund und Bodens
ermöglichen, ist der Gesetzgebung die Pflicht über-
kommen, besondere Mittel zum Schutze des Be-
sitzers gegen Wildschaden zu gewähren. Daß die
Befugnis des Grundeigentümers, sein Besitztum
durch Zäune oder sonstige Umfriedigungen gegen
das Wild abzuschließen, schon mit Rücksicht auf
die praktische Schwierigkeit solcher Vorkehrungen
nicht genügt und daß auch die allgemeinen Rechts-
bestimmungen über Schadenersatz mit ihren strengen
Beweisregeln hier keinen ausreichenden Schutz ge-
währen, leuchtet ein, und es sind deshalb auch in
allen Staaten besondere Vorschriften betreffs des
Wildschadens erlassen; allein eine völlig zufrieden-
stellende Reglung dieser Materie ist trotz wieder-
holter und ernsthafter Versuche stets an der großen
Menge praktischer Schwierigkeiten, zum Teil aber
auch an dem Widerstreit entgegenstehender Inter-
essen und der dadurch beeinflußten Stellungnahme
der politischen Parteien in den Parlamenten ge-
scheitert.
Auch das preußische Wildschadengesetz vom
11. Juli 1891, das nach mehrfachen vergeblichen
Versuchen, ein allgemeines Jagdgesetz zu schaffen,
aus der Initiative des Abgeordnetenhauses heraus
als Spezialgesetz zustande gekommen ist, hat noch
seine erheblichen Mängel, wenngleich durch das-
selbe dem früheren Zustande gegenüber unleugbar
ein wesentlich wirksamerer Schutz gegeben ist. Die
Ersatzpflicht erstreckt sich hiernach auf allen durch
Schwarz-, Rot-, Elch= und Damwild sowie Reh-
wild und Fasanen auf und an den Grundstücken
angerichteten Schaden. Ersatzpflichtig sind in einem
gemeinschaftlichen Jagdbezirk die Grundbesitzer des
Bezirks nach Verhältnis der Größe der beteiligten
Fläche. Dieselben können sich im Falle der Ver-
pachtung der Jagd wegen Wiedererstattung der zu
zahlenden Wildschadenbeträge nur an den Pächter
halten und müssen deshalb eine diesbezügliche Ver-
pflichtung des Pächters besonders im Vertrage
ausbedingen. Die Ermittlung und Festsetzung des
Schadens und Ersatzanspruchs geschieht im Ver-
waltungswege. Unter Umständen kann die Auf-
sichtsbehörde den Besitzern gestatten, das auf ihre
Jagd= und Fischereirecht.
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Grundstücke übertretende Rot= und Damwild zu
fangen oder zu erlegen, während das Schwarzwild
auch ohne Erlaubnis zu jeder Zeit gefangen oder
erlegt werden kann. Endlich kann die Aufsichts-
behörde die Besitzer von Obst-, Gemüse-, Blumen-
und Baumschulanlagen ermächtigen, jegliches Wild,
welches in den genannten Anlagen Schaden an-
richtet, mittels Schußwaffen zu erlegen. Näher
auf die Einzelbestimmungen dieses Gesetzes sowie
auf die Gesetzgebungen der übrigen Länder ein-
zugehen, die gerade in betreff des Wildschadens
durchweg erheblich voneingnder abweichen, erscheint
hier nicht am Platze.
Das B. G. B. für das Deutsche Reich läßt zwar
im wesentlichen (Art. 69 ff des Einf.Ges.) die lan-
desgesetzlichen Vorschriften über die Jagd und
Fischerei unberührt, stellt jedoch in den §8 835
und 958 grundsätzliche Bestimmungen über den
Eigentumserwerb und den Ersatz des Wildschadens
auf, die nunmehr ohne Rücksicht auf entgegen-
stehende landesgesetzliche Bestimmungen einheitlich
für das ganze Reich gelten. Nach § 958 wird das
Eigentum an einem jagdbaren Tiere nicht erwor-
ben, wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist
oder durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht
eines andern (des Jagdberechtigten) verletzt wird.
Der § 835 stellt folgende allgemeine Grundsätze
über den Wildschaden auf: Wird durch Schwarz-,
Rot-, Elch-, Dam= oder Rehwild oder durch Fa-
sanen ein Grundstück beschädigt, an welchem dem
Eigentümer das Jagdrecht nicht zusteht, so ist der
Jagdberechtigte verpflichtet, dem Verletzten den
Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht erstreckt sich
auf den Schaden, den die Tiere an den getrennten,
aber noch nicht eingeernteten Erzeugnissen des
Grundstücks anrichten. Ist dem Eigentümer die
Ausübung des ihm zustehenden Jagdrechts durch
das Gesetz entzogen, so hat derjenige den Schaden
zu ersetzen, welcher zur Ausübung des Jagdrechts
nach dem Gesetz berechtigt ist. Hat der Eigen-
tümer eines Grundstücks, auf dem das Jagdrecht
wegen der Lage des Grundstücks nur gemeinschaft-
lich mit dem Jagdrecht auf einem andern Grund-
stück ausgeübt werden darf, das Jagdrecht dem
Eigentümer dieses Grundstücks verpachtet, so ist
der letztere für den Schaden verantwortlich. Sind
die Eigentümer der Grundstücke eines Bezirks zum
Zweck der gemeinschaftlichen Ausübung des Jagd-
rechts durch das Gesetz zu einem Verbande ver-
einigt, der nicht als solcher haftet, so sind sie nach
dem Verhältnis der Größe ihrer Grundstücke er-
satzpflichtig. Seit dem Inkrafttreten des B.G.B.
sind in Preußen noch zwei Spezialgesetze ergangen:
1) das Wildschongesetz vom 14. Juli 1904, das
die Schonzeiten für die einzelnen Bezirke und Gat-
tungen der jagdbaren Tiere regelt, und 2) das
Gesetz vom 4. Juli 1905, das Bestimmungen über
die Verwaltung gemeinschaftlicher Jagdbezirke ent-
hält. Es soll fortan die Verwaltung der gemein-
schaftlichen Jagdangelegenheiten nicht mehr Ge-
meindesache, sondern ausschließlich Angelegen-