Eltern, Elterngewalt. Eltern im phy-
sischen Sinn sind diejenigen, die einer Person durch
Erzeugung das leibliche Leben schenken. Durch die
Tatsache der Erzeugung werden gegenseitige sitt-
liche Pflichten zwischen Eltern und Kindern und
das rechtliche Verhältnis der Elterngewalt über
die Kinder begründet. Mit Rücksicht auf die schwer-
wiegenden Folgen für die ganze menschliche Gesell-
schaft hat Sitte und Recht von jeher die Erzeugung
von Kindern an die Form der Ehe (s. d. Art.)
geknüpft. Die Kinder werden danach unterschieden
in eheliche und uneheliche, je nachdem sie in einer
rechtmäßigen Ehe oder im Ehebruch oder im ledigen
Stand erzeugt sind. Die Unterscheidung ist sach-
lich berechtigt, einmal, weil eine Verletzung des
natürlichen und göttlichen Sittengesetzes bei der
Zeugung seine Spuren an den Kindern zurückläßt,
und dann, weil die Erziehung und Stellung der
Kinder innerhalb oder außerhalb der Familie von
den tiefstgreifenden Folgen für ihr künftiges Leben
ist. Daran würde auch eine Umgestaltung der
bestehenden sittlichen Anschauungen, wie sie von
gewisser Seite angestrebt wird, nichts ändern;
höchstens würden durch Zerstörung des Familien-
lebens die ehelichen Kinder dem Schicksal der un-
ehelichen anheimfallen.
I. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern
ist in seinem Kern ein ethisches und besteht in
Pflichten der Eltern gegen die Kinder und in
Pflichten der Kinder gegen die Eltern. Die Pflich-
ten der Eltern gegen die Kinder werden zusammen-
gefaßt unter dem Begriff der leiblichen und geistigen
Erziehung. Bezüglich der Erziehung im engeren
Sinn s. d. Art. Wir fassen aber in diese Pflicht
ein jene ganze Lebensrichtung der Eltern, die sie
bei der Absicht, Kinder zu erzeugen, einhalten
müssen. Wenn Erfahrung und Naturwissenschaft
uns darlegen, welch großen Einfluß die körperlich-
sittliche Beschaffenheit der Eltern auf die Kinder
hat, und wenn die Menschen imstande sind, diese
ihre körperlich-sittliche Beschaffenheit durch frei-
gewollte Tätigkeit und Lebensführung zu beein-
flussen, so entspringt daraus die schwere Pflicht
der Eltern, alles, was in ihren Kräften steht, zu
tun, um ihrerseits einen günstigen körperlichen und
geistigen Einfluß auszuüben auf die zu erzeugenden
Kinder. Ist es doch geradezu erbärmlich, wenn
man sieht, wie heutzutage auf Grund der besseren
Naturerkenntnis alles mögliche getan wird zur
Veredlung des Zuchtviehs. Wo es sich aber um
*. Heranbildung von Menschen handelt, da
ct seitens vieler Eltern meist nicht das ge-
ie Verantwortungsgefühl. Dieses zu heben
ist eine der wichtigsten Aufgaben. Denn durch
eine größere Beachtung der zugrunde liegenden
Staatslexikon. II. 3. Aufl.
Naturgesetze würde die nachfolgende Sorge um
Heranbildung der Kinder am erfolgreichsten unter-
stützt. Die Kinder dürfen eben nicht als leidige
Dreingabe des ehelichen Lebens betrachtet, sondern
müssen als einer seiner Hauptzwecke gewollt werden.
Eine weitere, heutzutage oft vernachlässigte Pflicht
ist es, dem neugebornen Kind die Muttermilch zu
reichen, falls dies nicht unmöglich ist. Denn mit
gutem Grund wird die große Kindersterblichkeit
teilweise auch darauf zurückgeführt, daß so wenig
Mütter noch ihre natürliche Pflicht erfüllen, und
zwar vielfach aus eitlen Vorwänden. So z. B.
herrscht die Vorstellung, als ob durch Erfüllung
dieser Pflicht Gesundheit und Jugendkraft des
Weibes leiden würden, was selbstverständlich bei
normalen Verhältnissen durchaus unwahr ist.
Die Kinderpflege durch die Mutter kann eigent-
lich auch nicht ersetzt und der Mutter abgenommen
werden etwa durch Anstalten wie Krippen, Findel-
häuser und Waisenhäuser. Solche Anstalten sind
nur schwache Notbehelfe.
Die leibliche Erziehung umfaßt alle Sorgen für
das Leben, den Lebensunterhalt und die Lebens-
stellung des Kindes; die geistige Erziehung hat
die intellektuelle und sittlich-religiöse Ausbildung
zum Ziel. In diese Sorgen haben sich Vater und
Mutter zu teilen.
Gegenüber diesen Elternpflichten steht das Recht
auf die Kindespflicht der Pietät, die in sich Ehr-
furcht, Liebe und Gehorsam schließt. Diese Kindes-
pflicht ist nicht bloß ein Naturgesetz, sondern zugleich
ein göttliches Gebot (2 Mos. 20, 12; 5 Mos. 5, 16;
vgl. Tob. 4, 3; Sir. 3, 3. 5—8 7, 29; Matth.
15, 4; 19, 19; Mark. 7, 10; Eph. 6, 1—3;
Kol. 3, 20). Die Pietät gebührt den Eltern wegen
der ihnen von Gott unmittelbar verliehenen Au-
torität über ihre Kinder. Sie kommt nicht bloß
dem Vater, sondern in gleicher Weise auch der
Mutter zu, wennschon dem Vater wegen der Ord-
nung und Einheit der Familie die oberste Ent-
scheidung zusteht. Die Ehrfurcht der Kinder gegen
ihre Eltern ist die naturgemäße Außerung und
Anerkennung der Abhängigkeit von den Eltern im
Leben, Lebensunterhalt und Lebensstellung. Die
Ehrfurcht gegen die Eltern ist ein Abglanz der
religiösen Ehrfurcht gegen Gott. Die Liebe gegen
die Eltern ist ein Ausfluß der kindlichen Erkennt-
lichkeit für das, was das Kind alles den Eltern
verdankt. Sie muß sich selbstverständlich in der
Gesinnung wie in der Tat zeigen dadurch, daß die
Kinder von den Eltern geistige und leibliche Not
nach Kräften fernhalten und jedenfalls sie in jeder
Not nach Kräften unterstützen. Die Pflicht des
Gehorsams entspricht der elterlichen Autorität und
erstreckt sich auf alle Dinge, die der Elterngewalt
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