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auf der Größe der Erbmasse, nicht auf den Ver-
wandtschaftsgraden der Erben. Bei der allge-
meinen und bei der beschränkten Erbschaftssteuer
findet eine Steigerung des Steuersatzes mit der
Entfernung des Verwandtschaftsverhaltnisses des
Erben zum Erblasser und regelmäßig inner-
halb der durch die Verwandtschaft gegebenen
Kategorien nach der Größe der Erbmasse statt.
Zwischen testamentarischer und gesetzlicher Erb-
folge wird nicht unterschieden. Die Progression
des Steuerfußes rechtfertigt sich sowohl bezüglich
des Verwandtschaftsverhältnisses wie der Größe
der anfallenden Erbschaft aus dem Prinzip der
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit der die
Anfälle beziehenden Erwerber und deren mehr
oder minder engen Beziehungen zum Erblasser.
Die Nichtbesteuerung der Abkömmlinge und Ehe-
gatten hat zur Folge, daß von der jährlich zur
Vererbung gelangenden Gesamterbmasse drei Vier-
teile steuerfrei bleiben. Die Veranlagung der
Erbschaftssteuer beruht überall auf einem Dekla-
rationszwang für den Erben, die Erhebung er-
folgt hier in Stempelform, dort durch direkten
Einzug je nach dem ganzen Steuereinziehungs-
system des einzelnen Staates.
Zur Ergänzung der Nachlaß= und Erbschafts-
steuern sind regelmäßig Schenkungssteuern und
Ausgleichungsabgaben auf die Güter der sog.
„Toten Hand“ eingeführt. Die höchsten Ein-
nahmen zieht England aus den Erbschafts-
steuern. Ihr Gesamtertrag bezifferte sich 1907 bis
1908 auf 19 108 255 Pfund Sterling, wovon
14 493 135 dem Staatsschatz, 4615 120 den
Lokalverwaltungen zuflossen. Die Steuern haben
sich seit 1694 allmählich entwickelt. Nach den sie
vereinfachenden Finanzgesetzen von 1894 und 1907
sind noch zu unterscheiden die Nachlaßsteuer vom
hinterlassenen Vermögen mit 1% von mehr als
100 Pf. St. bis einschließlich 500 Pf. St. und
progressiv steigend bis 10% für die erste Mil-
lion und 15 % für den Rest von mehr als
3000000 Pf. St. Sie wird von allen Erben, auch
den Abkömmlingen und Ehegatten, erhoben. Neben
ihr werden von Seitenverwandten und Nicht-
verwandten die Vermächtnissteuer (Legacy Duty)
und die Erbfolgesteuer (Succession Duty) nach
Maßgabe der Erbteile erhoben. Die Vermächtnis-
steuer betrifft lediglich bewegliches Vermögen, die
Erbfolgesteuer trifft das unbewegliche Vermögen
und denjenigen sonstigen Erwerb von Todes
wegen, auf den die Vermächtnissteuer nicht an-
wendbar ist. Die beiden Steuern betragen je
nach dem Verwandtschaftsgrad 3S—10 %. Als
Zuschlag zur Nachlaßsteuer wird vom fideikom-
missarisch festgelegten Vermögen eine Nachlaßsteuer
von 1% (Settlement Estate Duty) erhoben.
Vom Vermögen der „Toten Hand“ wird ein
Zuschlag für Einkommensteuer von jährlich 5 %
vom Einkommen erhoben (Corporation Duty).
Die Wertberechnung des Nachlasses erfolgt nach
den Verkaufspreisen zur Zeit des Todes. In
Nachlaß-= und Erbschaftssteuern.
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Frankreich erbringt die Nachlaßsteuer rund
200 Mill. Franken. Sie beträgt nach dem Gesetz
vom 26. Febr. 1901, mit Novelle vom 30. März
1902, wonach der Nettobetrag der Erbschaft die
Bemessungsgrundlage bildet, aber neben der Pro-
gression nach Verwandtschaftsgraden aucheeinesolche
nach der Größe der Erbschaft eingeführt ist, in der
direkten Linie für den Bruchteil des Reinanfalls
1% von 1000 bis 2000 Franken, progessiv stei-
gend bis 5% bei 50 Mill.; sie steigt bei Ehegatten
unter gleichen Abstufungen von 3.75 bis 9 %
bei Geschwistern von 8.5 bis 12 %, bei andern
Erben nach der Gradverschiedenheit von 10 bis
18.5 %. Die Schenkungssteuer ist nach den
gleichen Verwandtschaftsgraden abgestuft (jedoch
nicht nach der Größe der Schenkung) und beträgt
zwischen 1,7 bis 13,5 % . In Osterreich beträgt
die Erbschaftssteuer bei Verwandten gerader Linie
und Ehegatten von beweglichem Vermögen 1%,
von unbeweglichem Vermögen 2½ %, bei An-
fällen an Seitenverwandte bis zum 4. Grad 4
bzw. 5½ %% , in allen andern Fällen 8 bzw.
9½/ % . Dazu tritt eine Zusatzabgabe von 25%
für die Gemeinde. Schenkungen unterliegen im
Falle der Beurkundung denselben Sätzen wie die
Erbschaft. Im Deutschen Reich ist die Nach-
laßsteuer unbekannt, die Erbschaftssteuer war bis
1906 eine verhältnismäßig wenig ergiebige Steuer-
quelle. Sie hat 1907 45,05 Mill. M erbracht,
wovon 26,3 Mill. M dem Reiche, der Rest den
Einzelstaaten zugefallen ist. Unter den einzelnen
Staaten hatten große Verschiedenheiten bestan-
den, die durch das Reichserbschaftssteuergesetz vom
3. Juni 1906 bis auf die Verschiedenheit in der
Besteuerung der Kinder und Ehegatten aus-
geglichen worden sind. Eine Besteuerung der
Abkömmlinge haben nur die Hansestädte und
Elsaß-Lothringen. Letzteres hat auch eine Be-
steuerung der Ehegatten. Deren Besteuerung,
aber nur bei beerbter Ehe, haben die Hansestädte,
Schwarzburg-Sondershausen und Reuß ältere
Linie. Nach dem Reichserbschaftssteuergesetz ist
Gegenstand der Steuer jeder Erwerb von Todes
wegen. Die Steuer beträgt 4 % für leibliche
Eltern, voll= und halbbürtige Geschwister und
deren Abkömmlinge 1. Grades, 6% für Groß-
eltern und sonstige Voreltern, Abkömmlinge
2. Grades von Geschwistern, 8 % für Geschwister
der Eltern und Verschwägerte im 2. Grade der
Seitenlinie, 10 % in den übrigen Fällen. Die
Steuer ist progressiv, bei Anfällen über 20 000 M
wird das 1 1/10fache, über 1 Mill. das 2 5/16 ache
der regelmäßigen Sätze erhoben, bei Steuerpflich-
tigen der 1. Klasse beginnt aber die Steigerung
erst bei Anfällen über 50 000 M. Von Anfällen
an Kirchen, milden Stiftungen, gemeinnützigen
Anstalten beträgt die Steuer 5% . Das Gesetz
enthält eine erhebliche Zahl von Steuerbefreiungen
oder ermäßigungen. Besteht der Anfall in land-
und forstwirtschaftlichen Grundstücken, so tritt
Steuerermäßigung ein. Steuerpflichtige Eltern,