Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

1273 
auf der Größe der Erbmasse, nicht auf den Ver- 
wandtschaftsgraden der Erben. Bei der allge- 
meinen und bei der beschränkten Erbschaftssteuer 
findet eine Steigerung des Steuersatzes mit der 
Entfernung des Verwandtschaftsverhaltnisses des 
Erben zum Erblasser und regelmäßig inner- 
halb der durch die Verwandtschaft gegebenen 
Kategorien nach der Größe der Erbmasse statt. 
Zwischen testamentarischer und gesetzlicher Erb- 
folge wird nicht unterschieden. Die Progression 
des Steuerfußes rechtfertigt sich sowohl bezüglich 
des Verwandtschaftsverhältnisses wie der Größe 
der anfallenden Erbschaft aus dem Prinzip der 
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit der die 
Anfälle beziehenden Erwerber und deren mehr 
oder minder engen Beziehungen zum Erblasser. 
Die Nichtbesteuerung der Abkömmlinge und Ehe- 
gatten hat zur Folge, daß von der jährlich zur 
Vererbung gelangenden Gesamterbmasse drei Vier- 
teile steuerfrei bleiben. Die Veranlagung der 
Erbschaftssteuer beruht überall auf einem Dekla- 
rationszwang für den Erben, die Erhebung er- 
folgt hier in Stempelform, dort durch direkten 
Einzug je nach dem ganzen Steuereinziehungs- 
system des einzelnen Staates. 
Zur Ergänzung der Nachlaß= und Erbschafts- 
steuern sind regelmäßig Schenkungssteuern und 
Ausgleichungsabgaben auf die Güter der sog. 
„Toten Hand“ eingeführt. Die höchsten Ein- 
nahmen zieht England aus den Erbschafts- 
steuern. Ihr Gesamtertrag bezifferte sich 1907 bis 
1908 auf 19 108 255 Pfund Sterling, wovon 
14 493 135 dem Staatsschatz, 4615 120 den 
Lokalverwaltungen zuflossen. Die Steuern haben 
sich seit 1694 allmählich entwickelt. Nach den sie 
vereinfachenden Finanzgesetzen von 1894 und 1907 
sind noch zu unterscheiden die Nachlaßsteuer vom 
hinterlassenen Vermögen mit 1% von mehr als 
100 Pf. St. bis einschließlich 500 Pf. St. und 
progressiv steigend bis 10% für die erste Mil- 
lion und 15 % für den Rest von mehr als 
3000000 Pf. St. Sie wird von allen Erben, auch 
den Abkömmlingen und Ehegatten, erhoben. Neben 
ihr werden von Seitenverwandten und Nicht- 
verwandten die Vermächtnissteuer (Legacy Duty) 
und die Erbfolgesteuer (Succession Duty) nach 
Maßgabe der Erbteile erhoben. Die Vermächtnis- 
steuer betrifft lediglich bewegliches Vermögen, die 
Erbfolgesteuer trifft das unbewegliche Vermögen 
und denjenigen sonstigen Erwerb von Todes 
wegen, auf den die Vermächtnissteuer nicht an- 
wendbar ist. Die beiden Steuern betragen je 
nach dem Verwandtschaftsgrad 3S—10 %. Als 
Zuschlag zur Nachlaßsteuer wird vom fideikom- 
missarisch festgelegten Vermögen eine Nachlaßsteuer 
von 1% (Settlement Estate Duty) erhoben. 
Vom Vermögen der „Toten Hand“ wird ein 
Zuschlag für Einkommensteuer von jährlich 5 % 
vom Einkommen erhoben (Corporation Duty). 
Die Wertberechnung des Nachlasses erfolgt nach 
den Verkaufspreisen zur Zeit des Todes. In 
Nachlaß-= und Erbschaftssteuern. 
  
1274 
Frankreich erbringt die Nachlaßsteuer rund 
200 Mill. Franken. Sie beträgt nach dem Gesetz 
vom 26. Febr. 1901, mit Novelle vom 30. März 
1902, wonach der Nettobetrag der Erbschaft die 
Bemessungsgrundlage bildet, aber neben der Pro- 
gression nach Verwandtschaftsgraden aucheeinesolche 
nach der Größe der Erbschaft eingeführt ist, in der 
direkten Linie für den Bruchteil des Reinanfalls 
1% von 1000 bis 2000 Franken, progessiv stei- 
gend bis 5% bei 50 Mill.; sie steigt bei Ehegatten 
unter gleichen Abstufungen von 3.75 bis 9 % 
bei Geschwistern von 8.5 bis 12 %, bei andern 
Erben nach der Gradverschiedenheit von 10 bis 
18.5 %. Die Schenkungssteuer ist nach den 
gleichen Verwandtschaftsgraden abgestuft (jedoch 
nicht nach der Größe der Schenkung) und beträgt 
zwischen 1,7 bis 13,5 % . In Osterreich beträgt 
die Erbschaftssteuer bei Verwandten gerader Linie 
und Ehegatten von beweglichem Vermögen 1%, 
von unbeweglichem Vermögen 2½ %, bei An- 
fällen an Seitenverwandte bis zum 4. Grad 4 
bzw. 5½ %% , in allen andern Fällen 8 bzw. 
9½/ % . Dazu tritt eine Zusatzabgabe von 25% 
für die Gemeinde. Schenkungen unterliegen im 
Falle der Beurkundung denselben Sätzen wie die 
Erbschaft. Im Deutschen Reich ist die Nach- 
laßsteuer unbekannt, die Erbschaftssteuer war bis 
1906 eine verhältnismäßig wenig ergiebige Steuer- 
quelle. Sie hat 1907 45,05 Mill. M erbracht, 
wovon 26,3 Mill. M dem Reiche, der Rest den 
Einzelstaaten zugefallen ist. Unter den einzelnen 
Staaten hatten große Verschiedenheiten bestan- 
den, die durch das Reichserbschaftssteuergesetz vom 
3. Juni 1906 bis auf die Verschiedenheit in der 
Besteuerung der Kinder und Ehegatten aus- 
geglichen worden sind. Eine Besteuerung der 
Abkömmlinge haben nur die Hansestädte und 
Elsaß-Lothringen. Letzteres hat auch eine Be- 
steuerung der Ehegatten. Deren Besteuerung, 
aber nur bei beerbter Ehe, haben die Hansestädte, 
Schwarzburg-Sondershausen und Reuß ältere 
Linie. Nach dem Reichserbschaftssteuergesetz ist 
Gegenstand der Steuer jeder Erwerb von Todes 
wegen. Die Steuer beträgt 4 % für leibliche 
Eltern, voll= und halbbürtige Geschwister und 
deren Abkömmlinge 1. Grades, 6% für Groß- 
eltern und sonstige Voreltern, Abkömmlinge 
2. Grades von Geschwistern, 8 % für Geschwister 
der Eltern und Verschwägerte im 2. Grade der 
Seitenlinie, 10 % in den übrigen Fällen. Die 
Steuer ist progressiv, bei Anfällen über 20 000 M 
wird das 1 1/10fache, über 1 Mill. das 2 5/16 ache 
der regelmäßigen Sätze erhoben, bei Steuerpflich- 
tigen der 1. Klasse beginnt aber die Steigerung 
erst bei Anfällen über 50 000 M. Von Anfällen 
an Kirchen, milden Stiftungen, gemeinnützigen 
Anstalten beträgt die Steuer 5% . Das Gesetz 
enthält eine erhebliche Zahl von Steuerbefreiungen 
oder ermäßigungen. Besteht der Anfall in land- 
und forstwirtschaftlichen Grundstücken, so tritt 
Steuerermäßigung ein. Steuerpflichtige Eltern,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.