Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

— 266 — 
Siebenter Abschnitt. 
Sachverständige und Augenschein. 
§. 72. 
Auf Sachverständige finden die Vorschriften des sechsten Abschnitts über 
Zeugen entsprechende Anwendung, insoweit nicht in den nachfolgenden Para= 
graphen abweichende Bestimmungen getroffen sind. 
§. 73. 
Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung 
ihrer Anzahl erfolgt durch den Richter. 
Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, 
so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände 
es erfordern. 
§. 74. 
Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, welche zur Ablehnung 
eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch 
nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen 
worden ist. 
Das Ablehnungkrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und 
dem Beschuldigten zu. Die ernannten Sachverständigen sind den zur Ablehnung 
Berechtigten namhaft zu machen, wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen. 
Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; der Eid ist als Mittel 
der Glaubhaftmachung ausgeschlossen. 
§. 75. 
Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu lelsten, 
wenn er zur Erstatung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt 
ist, oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntniß 
Voraussetung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerbe ausübt, oder wenn 
er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist. 
Zur Erstattung des Gutachtens ist auch derjenige verpflichtet, welcher sich 
zu derselben vor Gericht bereit erklärt hat. 
§. 76. 
Dieselben Gründe, welche einen Zeugen berechtigen, das Zeugniß zu ver- 
weigern, berechtigen einen Sachverständigen zur Verweigerung des Gutachtens. 
Auch aus anderen Gründen kann ein Sachverständiger von der Verpflichtung 
zur Erstattung des Gutachtens entbunden werden. 
Die Vernehmung eines öffentlichen Beamten als Sachverständigen findet 
nicht statt, wenn die vorgesetzte Behörde des Beamten erklärt, daß die Ver= 
nehmung den dienstlichen Interessen Nachtheil bereiten würde.
	        
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