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die Legitimation durch den Volkswillen, die Legitimation durch die Aner-
kennung von Seiten des Volks. In dieser Zusammenstellung ergeben
sich zugleich drei Gruppen von je zwei nahe verwandten Anschauungs-
weisen: unzerstörbare Fürsten= und Volkssouverainität, Besitz und
Verjährung, Volkswille und Volksanerkennung sind eng mit einan-
der zusammenhängende Begriffe. Aber noch andere Beziehungen,
gleichsam Wahlverwandtschaften, werden wir bei näherer Betrachtung
der Entwickelungen, welche diese Theorien bisher erhalten haben,
gewahr werden: die s. g. legitimistische Theorie geht leicht in die
der Verjährung über; unveräußerliche Volkssouverainität und Legi-
timation einer Souverainität durch den Volkswillen werden selten
scharf unterschieden; die Anerkennung von Seiten des Volks wird
von Manchen zu einem nothwendigen Bestandtheil des vollendeten
Besitzes oder der Verjährung erhoben. Diese vielfachen Verwandt-
schaften und Uebergänge nöthigen uns, die Ansicht einzelner Gelehr-
ten an verschiedenen Stellen zu berücksichtigen. Daß wir den neue-
sten und verbreitetsten Lehr= und Handbüchern in dieser kritischen
Betrachtung eine besondere Aufmerksamkeit widmen werden, bedarf
wohl keiner weitern Rechtfertigung.
Nur wenige vereinzelte Stimmen haben bisher einen von allen
erwähnten Theorien abweichenden Weg angedeutet, indem sie die
allgemeinen Grundsätze über die Entstehung des Rechts (der Rechts-
sätze) auf die rechtliche Begründung der Staatsgewalt und insbe-
sondere auch auf die Frage nach der Legitimation einer unrechtmäßig
erworbenen Staatsgewalt angewandt wissen wollen. Prinecipiell
theile ich diese Ansicht; die Differenzen in den Argumenten und
in den Resultaten werden bei der später folgenden Vergleichung her-
vorgehoben werden.
§ 5. Die sogenannte legitimistische Theorie 5).
Die legitimistische Theorie stellt den Grundsatz auf, daß in
einer Erbmonarchie dem einmal rechtmäßigen Herrschergeschlechte ein
26) Von den Vertretern dieser Theorie heben wir hervor: Malte-Brun,
Traité de la 16gitimité considérée comme base du droit public de l'Europe
chrétienne, Paris 1825; Henri de Riancey im Dictionnaire général de n
Politique, Art. Légitimité (II. S. 180 —182); Stahl, Rechtsphilosophie III bes. S.
169—185, 250—254, 265—269; Walter, Naturrecht und Politik, S. 220—222;
Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 234—236; v. Gerber,