Full text: Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt. Erste Abtheilung. (1)

— 19 — 
pflanzung des Herrschergeschlechts ist menschliche That unentbehrlich, 
und was nicht auf dem Gesetze oder einer andern, von Menschen 
ausgehenden Rechtsquelle beruht, das ist eben nicht (positives) Recht. 
In der Wahlmonarchie, wo das Recht jedes einzelnen Herrschers 
außer einem allgemeinen Rechtssatz noch einen besondern, auf die 
Uebertragung der Herrschaft an seine Person gerichteten Akt vor- 
aussetzt, wird freilich noch weniger die Vorstellung der unmittel- 
baren Thätigkeit Gottes Platz greifen; und in der Republik, woa 
die einzelnen Mitglieder der herrschenden Corporation zugleich Un- 
terthanen sind, werden sie schon durch dieses Verhältniß davor be- 
wahrt, ihrer Herrschaft einen übermenschlichen Ursprung, der noth- 
wendigerweise auch für den Inhalt der Herrschaft maßgebend sein 
würde, anzudichten. Die Theorie vom göttlichen Recht der Staats- 
gewalt paßt nur in die Theokratie, und selbst die Theokratie kann 
sich rechtmäßiger Weise in eine andere Staatsform umgestalten, so- 
bald der ihr zu Grunde liegende Irrthum von den rechtsbildenden 
Faktoren erkannt ist. 
Nicht aus einer besondern rechtlichen Qnalität der (fürstlichen.) 
Herrscherbefugniß, sondern aus der allgemeinen Natur der Rechte 
will ein neuerer Rechtslehrer folgern, daß der Staat niemals „die 
landesherrlichen Rechte“ aufheben könne: „Rechtlich“, behauptet er, 
„steht dem Staat bloß für die Zukunft seine Rechtsordnung neu 
zu gestalten, nicht aber sich einer nach seinem bisherigen Rechte von 
ihm schon übernommenen Schutzpflicht gesetzgeberisch zu entledigen 
frei“"o). Als Grund für diese Beschränkung wird angegeben, daß 
Rechtsschutz des Staates Wesen sei, der Staat also seinem Wesen 
nach nicht befugt sein könne, wohlerworbene Rechte zu beseitigen“). 
Bei Prüfung dieser Ansicht müssen wir uns vor Allem erinnern, 
daß das Gesetz nicht die einzige Rechtsquelle ist; wenn also durch 
eine andere Rechtsquelle ein wohlerworbenes Recht ausfgehoben 
ist, so hat der Staat selbst nach dem von Mejer aufgestellten 
Princip diese Aufhebung zu respektiren; die Annahme, daß es ju- 
ristisch kein anderes Mittel zur Aufhebung der Herrscherberechtigung 
geben könne, als Tod oder Verzicht "2), fällt schon durch diesen Ein- 
wand hinweg. In Betreff der Hauptfrage aber scheint es klar, daß 
  
40) Mejer, S. 235. 
41) Derselbe, S. 221. 
42) Derselbe, S 234. 
2*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.