Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

Erwerb für einen Ausländer durch Einbürgerung. S S. 67 
16. Bor der Einbürgerung. 
Der preußischen Verwaltungspraxis zufolge (vgl. Erlaß des preuß. Min. 
d. J. vom 4. Mai 1853, Ml. S. 118) soll jeder Naturalisation eine proto- 
kollarische Vernehmung des Antragstellers vorangehen, welche auf die 
persönlichen Verhältnisse desselben und den Nachweis der gesetzlichen Bedin- 
gungen der Naturalisation, insbesondere aber auch darauf zu richten ist, 
a) ob der Extrahent bereits in einer Untersuchung befangen gewesen ist 
und Strafe erlitten hat, 
b) ob derselbe früher bereits bei einer preußischen Behörde einen Antrag 
auf Naturalisation oder Bewilligung der Niederlassung gestellt hat 
und welcher Bescheid ihm darauf erteilt worden ist, 
wobei ihm ausdrücklich zu Protokoll zu eröffnen ist, daß, falls er unrichtige 
Angaben machen sollte, seine Naturalisation für nichtig erklärt und die ihm 
erteilte Naturalisationsurkunde als erschlichen wieder abgenommen werden 
würde. 
v. Rönne-Zorn Bd. 1 S. 615 Anm. 1 bemerkt hierzu: „Diese letzt- 
erwähnte Bestimmung ist übrigens mit dem Grundsatze des § 10 d. RG. vom 
1. Juni 1870 nicht zu vereinigen. Eine Befugnis zur Entziehung der Naturali- 
sation steht den Landespolizeibehörden nur in dem Falle des § 20 d. RG. zu; 
jede andere Nichtigkeitserklärung einer einmal erteilten Naturalisation würde 
daher rechtlich ohne Wirksamkeit sein. Es ist einfach die Pflicht der betreffen- 
den Behörde, vor Erteilung der Naturalisation festzustellen, ob alle Voraus- 
setzungen derselben erfüllt sind; ist aber die betreffende Urkunde ausgehändigt 
worden, so können die dadurch nach § 10 d. G. begründeten Staatsbürgerrechte 
nicht durch einen Beschluß der Verwaltungsbehörde, der sich nicht auf eine 
gesetzliche Vorschrift gründet, wieder entzogen werden.“ 
Gleicher Meinung war Seydel in der früheren Auflage seines Werkes 
§ 37 Nr. 21.°) Derselbe bemerkte, daß eine Naturalisationsurkunde, wenn sie 
auch mangels einer gesetzlichen Vorbedingung erteilt ist, nicht ungültig sei, da 
das Gesetz eine solche Folge nicht ausspreche, wie es auch kein Verfahren auf 
Unwirksamkeitserklärung kenne. — 
Ebenso G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts I § 48 
Anm. 9; Laband a. a. O. S. 52 Anm. 1. 
Dagegen glaubt Landgraff — s. Hirths Annalen Jahrgang 1876 S. 1028 
— daß, wenn auch das Reichsgesetz über die Gründe schweige, welche die Nichtig- 
keit des Naturalisationsverfahrens nach sich ziehen, damit doch nicht ausge- 
sprochen sei, daß die einmal erteilte Naturalisationsurkunde unanfechtbar, die 
Naturalisation eine unwiderrufliche Handlung sei und ihre Erschleichung keine 
aufhebenden Folgen habe. 
Das preuß. Oberverwaltungsgericht hat indes den Ansichten v. Rönnes, 
*) In der neuesten, von Piloty besorgten Auflage dieses Werkes, S. 275, 
sagt der Verfasser: „Eine Nichtigkeit nehme ich auch nicht an, wohl aber eine 
Anfechtbarkeit, und auch diese nur, wenn nicht inzwischen der Grund der Un- 
zulässigkeit der Verleihung weggefallen ist." 
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