Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Dritter Jahrgang. 1875. (3)

                                                     — 20 — 
                                                          §. 29. 
                       Zurückforderung von Postsendungen durch den Absender. 
I Die zur Post eingelieferten Sendungen können von dem Absender vor der Zustellung an den 
Adressaten zurückgenommen werden. 
II. Die Zurücknahme kann erfolgen am Orte der Aufgabe oder am Bestimmungsorte, ausnahmsweise 
auch an einem Unterwegsorte, insofern dadurch keine Störung des Dienstes herbeigeführt wird. 
III. Die Zurückgabe geschieht an denjenigen, welcher den Einlieferungsschein, wenn aber ein solcher 
nicht ! ertheilt ist, eine von derselben Hand, von welcher die Original-Adresse der Sendung geschrieben ist, ge- 
fertigte Abschrift der Adresse abgiebt. 
IV Ist die Sendung bereits abgegangen, so hat derjenige, welcher dieselbe zurückfordert, den Gegen- 
stand bei der Postanstalt des Abgangsorts schriftlich so genau zu bezeichnen, daß derselbe unzwelfelhaft als der 
verlangte zu erkennen ist. Die gedachte Postanstalt fertigt das Verlangschreiben aus. 
V Soll die Zurückforderung auf telegraphischem Wege geschehen, so darf ein desfallsiges Telegramm 
nicht abgesandt, oder demselben Folge gegeben werden, wenn nicht die Postanstalt des Aufgabeorts amtlich be- 
scheinigt hat, daß der Absender sich als zur Zurücksorderung berechtigt bei derselben ausgewiesen habe; daß dies 
geschehen, muß in dem Telegramm bemerkt sein. 
VI Ist die Sendung nach nicht abgegangen, so wird von der Postanstalt das Franko bei Rückgabe 
des Briefumschlags bez. der Begleitadresse erstattet. 
VII Ist die Sendung berelts abgesandt, so hat der Absender das Porto u. s. w. wle bei einer ge- 
wöhnlichen Rücksendung nach Maßgabe der wirklich zurückgelegten Beförderungsstrecke zu entrichten. 
                                                     §. 30. 
           Aushändigung von Postsendungen an die Adressaten an Unterwegsorten. 
I Auf Verlangen eines sich gehörig ausweisenden Adressaten kann, sofern im einzelnen Falle keine 
dem Beamten bekannte Bedenken entgegenstehen, die Aushändigung einer Sendung an den ersteren auch an 
einem Unterwegsorte stattfinden, wenn dadurch keine Störung des Dienstes herbeigeführt wird. 
II. Das Porto wird nach Maßgabe der wirklich stattgehabten Beförderung berechnet. Eine Erstattung 
von Porto für frankirte Sendungen findet nicht statt. 
                                                    §. 31. 
Herstellung des Verschlusses und Eröffnung der Sendungen durch die Postbeamten. 
I Hat das Siegel oder der anderweite Verschluß einer Sendung sich gelöst, so wird derselbe von 
dem Postbeamten unter Beidrückung des Postsiegels und Hinzufügung der Namensunterschrift des betreffenden 
Postbeamten wieder hergestellt. 
II Ist durch die gänzliche Lösung des Siegels oder anderweiten Verschlusses einer Sendung mit 
baarem Gelde oder mit geldwerthen Papieren die Herausnahme des Inhalts der Sendung möglich geworden, 
so wird vor Herstellung des Verschlusses erst festgestellt, ob der angegebene Betrag der Sendung noch vor- 
handen ist. 
III   Bei Postanstalten, bei welchen zwei oder mehrere Beamte zugleich im Dienste anwesend sind, wird 
zur Herstellung des Verschlusses und bez. zur Feststellung des Inhalts sofort ein zweiter Beamter als Zeuge 
hinzugerufen. Ist ein zweiter Beamter nicht im Dienste, jedoch ein Postunterbeamter zugegen, so wird dieser 
als Zeuge hinzugezogen. 
IV Hat nach den vorstehenden Bestimmungen ein anderweiter Verschluß der Sendung stattgefunden, 
so ist — wenn es sich um Briefe mit Werthangabe oder um Packete mit oder ohne Werthangabe handelt — 
bei Ankunft der Sendung am Bestimmungsorte der Adressat davon in Kenntniß zu setzen und zu ersuchen, zur 
Eröffnung der Sendung in Gegenwart eines Postbeamten im Postzimmer innerhalb der zu bestimmenden Frist 
sich einzufinden. Leistet der Adressat diesem Ersuchen keine Folge, oder verzichtet derselbe ausdrücklich auf Er- 
öffnung der Sendung, so ist mit deren Bestellung und Aushändigung nach Maßgabe der folgenden Vorschriften 
zu verfahren. Etwaige Erinnerungen, welche der erschienene Adressat bei Eröffnung der Sendung gegen deren 
Inhalt erhebt, sind in die Verhandlung aufzunehmen, durch welche der Befund festgestellt wird. 
V Die Postbeamten müssen sich jeder über den Zweck der Eröffnung hinausgehenden Einsicht der 
Sendung enthalten; auch muß über die geschehene Eröffnung eine Verhandlung aufgenommen werden, in welcher 
die Veranlassung der Maßregel, der Hergang bei derselben und der Erfolg anzugeben sind. 
 
	        
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