----363--- 5. Heimath. Wesen.
Die Beibehaltung des Aufenthaltes an dem bisherigen Wohnorte setzt nach §. 13 des Reichsgesetzes vom
6. Juni 1870 die wirkliche Ausführung des Vorhabens der Rückkehr nicht nothwendig voraus, ist insbesondere
dann nicht ausgeschlossen, wenn der Abwesende nur durch den Tod an der Rückkehr verhindert worden ist.
Nach diesem Grundsatze hat das Bundesamt in Sachen des Armenverbandes der Stadt Posen gegen den
Landarmenverband der Provinz Posen entschieden und in den Gründen des Erkenntnisses vom 15. Mai 1875
Folgendes ausgeführt:
Die hülfsbedürftige Bronislawa W., welche Kläger als domizillos ansieht, ist unzweifelhaft
orksangehörig in Posen, wenn ihr Vater, Franz W., einen Unterstützungswohnsitz daselbst vor
seinem Ableben am 20. Mai 1873 erworben hatte. Letzteres wird vom Kläger nur deshalb be-
stritten, weil Franz W. erst zu Anfang April 1871 in Posen angezogen, schon im Februar. 1873
aber wieder weggegangen und vor seinem Tode nicht zurückgekehrt sei, während Verklagter in der
ohne Rückehr erfolgten Entfernung eine Unterbrechung des Aufenthaltes nicht erblickt, weil W.
die Absicht der Rückkehr thatsächich durch Zurücklassung seines Kindes und seiner Sachen, wie
auch ausdrücklich zu erkennen gegeben habe, und die Begründung eines Unterstützungswohnsitzes
in Posen durch den länger als 2 Jahre beibehaltenen Aufenthalt annimmt.
Die erstinstanzliche Abweisung des Klageanspruches ist gerechtfertigt.
Der erste Richter hat die Beibehaltung des Aufenthaltes des ect. W. in Posen über den
1. April 1873 hinaus auf Grund von Zeugenaussagen für festgestellt erachtet, welche in der That
keinen Zweifel darüber lassen, daß W., als er im Februar 1873 Posen verließ, um einige Zeit
bei seinem Vater in Komornik zuzubringen, den Aufenthalt in Posen aufzugeben keineswegs
willens war, und an der Rückkehr zu dauernder Fortsetzung desselben nur durch außerhalb seines
Willens liegende Umstände, nämlich die Verschlimmerung seines Leidens, welche am 20. Mai 1873
den Tod herbeiführte, verhindert worden ist. Die durch konkludente Handlungen und Aeußerungen
an den Tag gelegte Beibehaltung des ständigen Aufenthaltes in Posen entzieht nach §. 13 des
Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 der Entfernung des ect. W. die Wirkung einer Unterbrechung
des Aufenthaltes. Trotz faktischer Abwesenheit desselben muß sein Aufenthalt in Posen als fort-
gesetzt gelten, gleichwie nach §. 25 desselben Gesetzes die Rückkehr zu vorübergehendem Aufenthalte
nach Komornik eine Unterbrechung der Abwesenheit von dort nicht zur Folge hatte. Wenn Kläger
die Anwendung des §. 13 cit. ohne Weiteres deshalb für ausgeschlossen erachtet, weil W. niemals
nach Posen zurückgekehrt, sondern während seines vorübergehenden Aufenthaltes in Komornik ge-
storben ist, so befindet er sich im Irrthum.- Der Umstand, daß das Vorhaben baldiger Rückkehr
nicht ausgefsbhrt wird, berechtigt unter Umständen zu der Annahme, daß die Rückkehr ernstlich nicht
gewollt, oder die Absicht, zurückzukehren, ausgegeben wurde. Nothwendig aber ist die Beibehaltung
des Aufenthaltes nach der Fassung des §. 13 ceit. durch wirkliche Rückkehr nicht bedingt. Es folgt
dies zugleich aus der korrespondirenden Bestimmung im §. 25 des Reichsgesetzes, welche die Ab-
wesenheit einfach dann als nicht unterbrochen gelten läßt, wenn eine dauernde Fortsetzung des
Aufenthaltes nicht beabsichtigt war. So wenig nach dem klaren Wortlaute dieser Bestimmung
ein mit der Absicht baldiger Wiederentfernung genommener Aufenthalt gleichwohl als dauernder,
die Abwesenheit unterbrechender angesehen werden kann, wenn die Wiederentfernung zufällig durch
den Tod unmöglich geworden ist, so wenig ist nach §. 13 cit. eine vorübergehende Abwesenheit
trotz der Absicht, den Aufenthalt fortzusetzen, als eine dauernde den Aufenthalt unterbrechende
nur deshab zu betrachten, weil die Rückkehr durch den Tod verhindert wurde. Denn beide Be-
stimmungen stehen in einem inneren Zusammenhange, welcher mit Nothwendigkeit dazu führt, bei
der Interpretation des §. 13 auf den Inhalt des §. 25 Rücksicht zu nehmen.