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A. Justiz-Wesen.
Bekanntmachung.
Auf Grund der §. 18 Abs. 2, §. 98 der Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 (Reichs-Gesetzblatt
S. 177) wird hierdurch bestimmt, daß vom 1. Oktober 1879 ab in Bezug auf den Wohnsitz der bei dem
Reichsgerichte zugelassenen Rechtsanwälte die Ortschaften:
Gohlis, Plagwitz, Connewitz, Lindenau, Eutritzsch und Reudnitz
als zu der Stadt Leipzig gehörig anzusehen sind.
Berlin, den 5. Mai 1879.
In Vertretung des Reichskanzlers:
Friedberg.
5. Heimath= Wesenu.
Der bei Eintritt der Hülfsbedürftigkeit verpflichtete Landarmenverband bleibt verpflichtet, so lange
das Unterstützungsbedürfniß fortdauert.
Am 14. Dezember 1877 mußte der landarme Schäfer S. von dem Ortsarmenverbande Königsberg i. Pr.
in Armenpflege genommen werden. Der gedachte Ortsarmenverband klagte die dadurch entstandenen Kosten von'“
dem Landarmenverbande des Kreises Wehlau ein, weil S. am 24. November 1876 bei dem Magistrat in Tapian
(Kreis Wehlau) öffentliche Unterstützung nachgesucht habe, die Hülfsbedürftigkeit mithin im Bezirke des ver-
klagten Landarmenverbandes eingetreten sei. Kläger behauptete, daß der Magistrat Tapiau, statt die begehrte
Unterstützung zu gewähren, gegen S., welcher auch in Tapiau gebettelt hatte, Anklage erhoben habe, worauf
dessen Verurtheilung mit nachfolgender Detention im Landarmenhause zu Tapiau erfolgt sei. Beim Eintritt
in die Landarmenanstalt sei die völlige Erwerbsunfähigkeit des S. festgestellt und er deshalb dem Land-
armenverbande Wehlau zur Unterstützung empfohlen, auch nach dort entlassen. Im Januar 1877 habe S.
den Landrath in Wehlau um Unterstützung gebeten, sei aber wieder wegen Bettelns angeklagt und nach der
Korrektionsanstalt gebracht. Ebenso sei er im März 1877, wo er von neuem in Wehlau Armenpflege in
Anspruch genommen habe, wegen Bettelns bestraft. Im Mai 1877 entlassen, habe er sich der Behörde nicht
wieder vorgestellt.
Der erste Richter hat die Klage abgewiesen, weil er es nicht für erwiesen erachtete, daß dem S.
innerhalb des Landarmenbezirks Wehlau öffentliche Unterstützung zu theil geworden oder trotz nachgewiesener
Hülfsbedürftigkeit in ungerechtfertigter Weise versagt sei.
Das Bundesamt hat unter Abänderung des ersten Erkenntnisses den Landarmenverband Wehlau
verurtheilt. In den Gründen heißt es: «
Unter dem „Eintritt der Hülfsbedürftigkeit“ im Sinne des 8. 30 ad b. des Reichs-
gesetzes vom 6. Juni 1870 kann nur verstanden werden, daß die Hülfe eines Armenverbandes
mit Recht in Anspruch genommen ist. Daß, falls die Unterstützung thatsächlich nicht zur
Ausführung gekommen ist, eine ungerechtfertigte Unterlassung der Unterstützung — analog
wie beim Rückgriff gegen einen zur vorläufigen Unterstützung verpflichteten Armenverband —
vorgelegen haben müsse, ist nicht erforderlich, wie schon daraus hervorgeht, daß auch die Ein—
lieferung in hülfsbedürftigem Zustande aus dem Bezirke eines Landarmenverbandes in eine Straf-,