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Art. 90.
Milderungsgrund der Jugend.
Von dem Alter an, wo eine Zurechnung stattfindet (Art. 87, 89), bis zum vollendeten
achtzehnten Jahre ist die Jugend als ein Milderungsgrund zu betrachten, und die gesetzlich
verwirkte Strafe nach richterlichem Ermessen herabzusetzen.
Insbesondere sollen solche Verbrecher nicht mit Zuchthausstrafe belegt werden, sondern es
ist statt derselben auf Arbeitshaus= oder Gefängnißstrafe zu erkennen. Die im Art. 17
Absatz 2 getroffene Bestimmung leidet in diesem Falle nicht Anwendung, vielmehr kann gegen
jugendliche Verbrecher auch wegen der dort bezeichneten Verbrechen auf Gefängnißstrafe von
längerer als sechsmonatiger Dauer erkannt werden, und sind die denselben auch wegen solcher
Verbrechen auferlegten Gefängnißstrafen, wenn sie höher als auf vier Monate ansteigen, im
Landesgefängnisse zu verbüßen.
Geht jedoch aus der Beschaffenheit der That, ihrer Beweggründe, und der übrigen damit
verbundenen Umstände hervor, daß der Verbrecher nicht sowohl aus jugendlichem Leichtsinne,
als vielmehr aus Bosheit und mit Ueberlegung gehandelt hat, so ist die Jugend desselben nur
bei der Abmessung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafmaßes zu berücksichtigen. Lebens-
längliche Zuchthausstrafe findet jedoch auch in diesem Falle nicht statt, sondern es ist statt
derselben auf eine verhältnißmäßige zeitliche Zuchthausstrafe zu erkennen.
Art. 91.
Nothwehr.
Wer bei der Ausübung erlaubter Selbsthülfe oder ohne eine solche Veranlassung sich oder
Andere von einem widerrechtlichen Angriffe auf die Person oder das Eigenthum bedroht sieht,
befindet sich im Stande der Nothwehr. "
In diesem Falle ist er befugt, ohne daß er den wirklichen Angriff abzuwarten braucht,
alle Mittel der Vertheidigung anzuwenden, von denen er unter den obwaltenden Umständen
annehmen konnte, daß sie zur wirksamen Abwehr desselben erforderlich und mit der Beschaffen-
heit der abzuwendenden Gefahr nicht außer Verhältniß seien.
Art. 92.
Echte Noth.
Auch außer dem Falle der Nothwehr ist Derzjenige nicht strafbar, welcher eine gesetzwidrige
Handlung in einem auf andere Weise nicht abwendbaren Nothstande, zur Rettung aus einer
gegenwärtigen dringenden Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder seiner Angehörigen
vorgenommen hat, vorausgesetzt, daß für den Gefährdeten nicht eine besondere Verpflichtung
zum Bestehen solcher Gefahr obwaltete, und nicht die Gefahr als unmittelbare Folge einer
von ihm begangenen strafbaren Handlung eingetreten ist.