greiflich ist und man noch nicht an Verfolgungswahn und dergleichen
zu glauben braucht, wenn er sich am Ende mehr für das Opfer
einer Intrige hält, als Verhältnissen unterlegen sein will, in denen
psychologische Motive, starke Eigenwilligkeiten, jugendlicher Drang
und altersgraue Weisheit — kurz Imponderabilien die Hauptrolle
spielten.“
Zu Weihnachten 1890 hatte Fürst Bismarck noch ein Zeichen
dankbaren Gedenkens vom Kaiser erhalten. Zum Geburtstag des
Fürsten, am 1. April 1891, geschah ein Gleiches nicht. Dazwischen
lagen die Enthüllung, daß der Minister v. Bötticher früher zur
Deckung von Familienschulden eine Dotation aus dem Welfenfonds
erhalten hätte, und die höchst peinlichen Erörterungen, die ihr ge-
folgt waren. Nach Prüfung der näheren Umstände hielt sich der
Kaiser für verpflichtet, dem Minister seine Teilnahme und seinen
Schutz gegen übele Deutungen angedeihen zu lassen.
Die Sache, um die sich die Erörterungen in der Presse drehten,
stammte aus dem Jahre 1886. Damals stand der Schwieger—
vater v. Böttichers, Bankdirektor in einer Ostseestadt, vor dem
finanziellen Zusammenbruch. Auf die Mitteilung, die der Präsi—
dent der Reichsbank hiervon dem Staatssekretär von Bötticher
machte, lehnte dieser jede Intervention zugunsten des Bankdirektors
ab, steuerte aber aus seinem Vermögen zu einer von anderen Ver-
wandten und Freunden veranstalteten Sammlung zur Deckung der
Schuldenlast seines Schwiegervaters bei. Herr v. Bötticher mel-
dete seine Bedrängnis dem Reichskanzler und erklärte sich bereit,
von seinen Amtern zurückzutreten. Fürst Bismarck wies jedoch den
Rücktrittsgedanken zurück und führte mit Genehmigung des alten
Kaisers die Erstattung der von den anderen Verwandten und Freun-
den des Bankdirektors hergegebenen Summe aus dem Welfenfonds
herbei. Herr v. Bötticher selbst erhielt keinen Ersatz für das
von ihm beigesteuerte Vermögen. Die erste Enthüllung dieser An-
gelegenheit erschien Anfang März 1801 im Wiener Tagblatt, und
zwar in gehässiger Form und mit dem Zusatz, daß der von Familien-
schulden befreite Staatsmann am meisten zum nachmaligen Sturze
seines Wohltäters beigetragen habe. Da ein offizielles Dementi
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