Geboten der Gerechtigkeit, der Vernunft und der Wahrheit umge—
staltet sehen.“
Ein zweites weitragendes Stück, das im Wahlkampfe gute
Dienste tat, hieß Frankreichs Rheingelüste: Ein aktiver französi-
scher Generalstabsoffizier, Molard mit Namen, hatte ein Buch
über die militärische Leistungsfähigkeit der europäischen Staaten
veröffentlicht, das eine Reihe merkwürdiger politischer Betrach-
tungen enthielt. In dem einleitenden Kapitel sagte der Verfasser,
die Wiederherstellung des deutschen Kaiserreichs zugunsten Preu-
ßens habe das europäische Gleichgewicht vollständig zerstört, daher
sei auch Frankreich der unermüdliche Gegner Deutschlands. Wört-
lich hieß es dann:
„Die französische Politik hat stets nur einen Zweck gehabt,
die Zurückeroberung der von der deutschen Rasse usurpierten Ge-
bietsteile des linken Rheinufers. Der Rhein ist nicht ein deut-
scher Fluß — mögen es auch die deutschen Geschichtschreiber noch
so oft sagen —, sondern er bildet die Grenzbarriere. Er teilt in
Wirklichkeit das westliche Europa in zwei große Gebiete, in das
französische Gebiet, das vom Atlantischen Ozean bis zum Rhein
reicht, und in das deutsche Gebiet vom Rhein bis zur Elbe. Auf
jeder Seite dieser Grenzbarriere waren seit 2000 Jahren Gallier
und Germanen Feinde, wie es Deutsche und Franzosen heutzutage
noch sind. Wir waren, wir sind es und wir werden es bleiben
— bis zum Tage der endgültigen Entscheidung — Erbfeinde!
Das ist nicht eine Phrase, sondern die einfache Feststellung einer
bistorischen Wahrheit.“
Dieselbe fire Idee des Generalstäblers Molard, daß das linke
Rheinufer zu Frankreich gehöre, wurde 22 Jahre später der In-
halt eines Abkommens, das sein Alters= und Gesinnungsgenosse
Ribot als Ministerpräsident heimlich im Namen des „überfalle-
nen“ Frankreichs mit Rußland und anderen für Wahrheit und
Gerechtigkeit fechtenden Mächten abschloß.
Der Erfolg des Wahlkampfes war der Zahl nach mäßig —
201 Stimmen für, 185 gegen die Militärreform —, aber groß,
wenn man ihn nach den Schwierigkeiten maß, die am Anfang
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