Anschütz. 119
Zum Thatbestand der f. A. gehört in objektiver Hinsicht eine aus eigenem
Antriebe des Anschuldigers bei einer Behörde gemachte Anzeige. Gleichgültig ist
es, in welcher Form die Anzeige erfolgt, ob mündlich zu Protokoll oder schriftlich,
ob mit oder ohne Namen des Anschuldigers, ob durch eine Privatperson oder einen
Beamten, sofern nicht für den Letzteren besondere Vorschriften erlassen sind (val.
Straf GB. § 344). Die Erhebung einer Privatklage wegen Beleidigungen und
Körperverletzungen, soweit die Verfolgung nur auf Antrag eintritt, ist ebenfalls als
Anzeige anzusehen. — In der Anzeige muß eine bestimmte Person der Begehung
einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht beschuldigt werden.
Der Begriff der strafbaren Handlung ist nicht auf die im Straf GB. enthaltenen
Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen beschränkt. Zu den Amtepflichten ge-
hören die allgemeinen und speziellen, gleichviel ob die Verletzung derselben eine
Strafe nach sich zieht, im Straf= oder Disziplinarverfahren geahndet wird. —
Die Anzeige muß bei einer Behörde erfolgt sein und zwar bei einer solchen, die,
wenn sie auch nicht zuständig ist, doch die Verpflichtung hat, die Anzeige weiter
zu befördern.
. In subjektiver Hinsicht erfordert der Thatbestand der f. A. rechtswidrige
Absicht. Die Fahrlässigkeit ist ausgeschlossen. Der Anschuldiger muß in dem Be-
wußtsein, daß die That objektiv falsch ist, also wider besseres Wissen gehandelt
haben. Es tritt keine Strafe ein, wenn die That, an sich wahr, vom Anschuldiger
für falsch gehalten wird, und ebensowenig, wenn der Anschuldiger eine an sich
falsche That für wahr gehalten hat. Zur Verurtheilung muß der Beweis dafür
erbracht werden, daß die That falsch und dem Anschuldiger dieser Umstand bekannt
gewesen ist. — Wenn auch nicht zum Thatbestande der f. A. gehört, daß der An-
schuldiger beabsichtigte, eine Untersuchung zu veranlassen, so muß ihm doch bekannt
gewesen sein, daß die gemachte Anzeige hierzu geeignet war. Die Absicht, dem An-
geschuldigten zu schaden, ist nicht erforderlich. — Vollendet ist das Vergehen
der f. A. mit der gemachten Anzeige. Ob die Behörde in Folge dessen eine Unter-
suchung einleitet oder nicht, ist irrelevant.
Die f. A. ist mit Gefängnißstrafe nicht unter einem Monat bedroht, neben
welcher die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt werden können. — In jedem auf
Strafe lautenden Urtheil wegen f. A. muß dem fälschlich Angeschuldigten die Be-
fugniß zugesprochen werden, die Verurtheilung auf Kosten des Anschuldigers
öffentlich bekannt zu machen. Ueber die Art der Bekanntmachung und die Frist,
innerhalb welcher dieselbe zu erfolgen hat, ist im Urtheil das Nähere anzugeben
(StrafG B. § 165). Abgesehen hiervon erhält der fälschlich Angeschuldigte ebenso
wie jeder Beleidigte (StrafS B. §5 200) auf Kosten des Schuldigen eine Aus-
fertigung des Urtheils. Eines besonderen Antrages bedarf es weder hinsichtlich der
obigen Befugniß, noch zur Erlangung der Urtheilsausfertigung. — In Betreff des
Verfahrens enthält § 164 Abs. 1 des Straf GB. noch die Bestimmung, daß, wenn
in Folge der gemachten Anzeige ein Verfahren eingeleitet ist, mit dem Verfahren
und der Entscheidung über die f. A. inne gehalten werden soll.
Lit.: Die Kommentare zum D. Straf B. von Oppenhoff und von v. Schwarze
(4. Aufl.). — Die Lehrbücher des Deutschen StrafR. von Berner (10. Aufl.), Schütze
(2. Aufl.) § 71, und H. Meyer (2. Aufl.) § 145. — Dazu Dochow in v. Holtzendorff's
Handbuch des Deutschen StrafR., Bd. III. S 253 ff.; ebendaselbst und bei v. Schwarze
weitere Literaturangaben. — Die R.sprechung der höheren deutschen Gerichte über die betreffenden
Paragraphen des Straf G B. findet sich bei Pezold, Deutsche Straf R.spraxis, Bd. 1 (1877)
S. 141 ff., Bd. II (1880) S. 196 ff. Dochow.
Anschütz, August, 5 9. I. 1826 zu Suhl, habilitirte sich 1852 in Bonn,
wurde 1855 a.o. Prof., 1859 ord. Prof. in Greifswald, 1862 in Halle, 2. VIII.
1874 zu Soden. Mitherausgeber d. Arch. f. civ. Praxis; betheiligt an der Krit.
Ueberschau (IV. 74, 248, VI. 238) u. Krit. V.J. Schr. (I.1, 161, II. 59, VI. 399).