Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

130 G. Anschütz. 
u. a.), neuerdings! hie und da ohne überzeugende Begründung wiederum auftauchende Meinung 
findet eine Stütze weder im positiven Recht noch in der Natur der Sache. Aus der Natur der 
Sache folgt nur, daß, wie die objektiven Normen, so auch die subjektiven Ansprüche dem rechts- 
ändernden Staatswillen unbeschränkt unterworfen sind, daß es mithin wohlerworbene Rechte 
dem Gesetzgeber gegenüber nicht gibt, und daß die Rechte der Thronanwärter hierwon keine 
Ausnahme machen. 
Es sind nun die Hauptgrundsätze des geltenden deutschen Thronfolgerechts zu betrachten. 
Zwei Gruppen von Normen sind zu unterscheiden: einmal diejenigen, welche in einem Staate 
den Kreis der sukzessionsfähigen Personen abgrenzen (materielles Thronfolge- 
recht); sodann diejenigen, welche die gleichzeitig lebenden Mitglieder dieses Personenkreises in 
eine Reihenfolge einordnen, hiermit vorausbestimmend, wer im Thronerledigungsfalle der 
Erste in der Reihe, somit der Nächste zum Throne ist (Thronfolgeordnung, Sukzessionsordnung). 
a) Das materielle Thronfolgerecht. Die Voraussetzungen der 
Sukzessionsfähigkeit nach den Grundsätzen des deutschen Landesstaatsrechts sind: 
□a) Erfordernisse hinsichtlich der Abstammung. Der Prätendent muß vor 
allem in gerader Linie von dem ersten Inhaber der Krone, dem „primus parens“, „primus 
acquirens“, z. B. in Preußen von dem Kurfürsten Friedrich I.) abstammen; Abkömm- 
linge von Seitenverwandten des prim. acq. (süddeutsche Hohenzollern) sind ausgeschlossen. 
Die Abstammung muß eine leibliche (nirgends durch Annahme an Kindes Statt vermittelte), 
eheliche (Ausschluß der Legitimation, auch der durch nachfolgende Ehe), fermer eine eben- 
bürtige sein. Letzteres Erfordernis verlangt, daß die Ehen, aus welchen der Prätendent 
und seine agnatischen Vorfahren stammen, nach dem jeweils geltenden Hausrecht ebenbürtig 
sein bzw. gewesen sein müssen. Heute sind — vorbehaltlich abweichender, „milderer“ Bestimmungen 
der Gesetze und Observanzen einzelner Häuser — einem regierenden deutschen Fürstenhause 
nur folgende Personenkreise ebenbürtig: 1. der hohe Adel Deutschlands (uvgl oben § 18) — die 
Gesamtheit der Familien, welche gegenwärtig in Deutschland regieren (regierende Häuser) 
oder einstmals regiert haben (standesherrliche und depossedierte Häuser, fürstliches Haus Hohen- 
zollern); 2. die außerhalb Deutschlands in Europa regierenden Dynastien (einschließlich der 
depossedierten) christlichen Bekenntnisses. — Weiterhin ist die Sakzessionsfähigkeit fast in allen 
Häusern davon abhängig gemacht, daß die Ehe, welcher der Anwärter entstammt, mit Geneh- 
migung des Familienhaupts geschlossen ist; die nichtkonsentierte Ehe steht der Mißheirat gleich 
(doch besteht dieses Erfordemis des familienoberhauptlichen Ehekonsenses nur, soweit das einzelne 
Hausrecht es ausgenommen hat; gemeinrechtlich ist es nicht). — Endlich gehört agnatische 
(nur durch Männer vermittelte, „mares a mare“) Abstammung vom ersten Erwerber zu den 
absoluten Erforderiissen der Sukzessionsfähigkeit, wenn und wo die weiblichen Linien — Kog- 
naten — auch subsidiär, nach Erlöschen des Mannesstammes, von der Thronfolge ausgeschlossen 
sind. Ein solcher Ausschluß ist (aus Gründen, die in der Anknüpfung des deutschen Thronfolge- 
rechts an die prinzipiell streng agnatische Lehnssukzession liegen) zu vermuten; er gilt mithin 
nicht nur in den Einzelstaaten, deren Haus= oder Verfassungsgesetze ihn ausdrücklich proklamieren 
(Mecklenburg, Oldenburg), sondern auch dort, wo die Gesetze schweigen, wie namentlich in 
Preußen 2. Es bedarf eines positiven Ausspruchs des Partikularrechts, um den Kognaten das 
Folgerecht zu sichem; solche Aussprüche enthalten beispielsweise die Verfassungen von Bayern 
(Tit. II § 5), Württemberg (§ 7), Sachsen (§ 7) und Baden (§ 3 des Hausgesetzes vom 4. Oktober 
1817 in Verbindung mit § 4 VI.). 
5) Erfordernisse hinsichtlich der Person. Männliches Geschlecht des 
Anwärters erfordem selbstverständlich die Staaten mit streng agnatischer (s. oben), aber auch 
1 Vgl. Meyer-Anschütz S. 255 ff. 
2 Daß die preußische Verfassung die Kognatensukzession ablehnt, ergibt sich auch aus ihrem 
Art. 57. Dort ist für den Fall, daß kein volljähriger, regierungsfähiger Acnat des königlichen 
Hauses mehr vorhanden und „nicht bereits vorher gesetzliche Fürsorge für diesen Fall getroffen 
ist", angeordnet, das Staatsministerium habe die Kammern zu berufen, welche in vereinigter 
Sitzung einen Regenten erwählen. Nach dem Aussterben des Mannesstammes tritt also außer- 
n iche Thronfolge (s. oben im Text), eventuell zunächst Regentschaft, nicht aber Kognaten. 
olge ein.
	        
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