Full text: Deutsches Kolonialblatt. I. Jahrgang, 1890. (1)

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erster Hand ihre Produkte abzukaufen und in Dhaus nach Sansibar zu verschiffen. Die 
wachsende Bedeutung der Inselstadt rief Einrichtungen wie Dampferverbindungen mit Europa 
und Indien hervor, welche dem Handel der Insel zu Statten kamen. Der Anschluß an das 
Telegraphennetz ermöglichte es, die daselbst etablirten Kaufleute rechtzeitig von den Preis- 
schwankungen der bedeutendsten europäischen Märkte, wie insbesondere des Londoner Elfenbein- 
marltes, in Keuntniß zu setzen. 
Aber diese gesammte Entwickelung beruht, wie bereits hervorgehoben, nicht auf einer 
inneren Nothwendigkeit, vielmehr sprechen die gewichtigsten Gründe gegen die Konzentrirung 
des ostafrikanischen Handels auf der Insel Sansibar. Es ist unnatürlich und erfordert doppelte 
Kosten, die Ausfuhrartikel zunächst an der Küste zu verfrachten und dann wiederum umzuladen. 
Dasselbe gilt von der Umladung der Einfuhrartikel in Sansibar. Die Rhede von Sansibar 
bietet bei Stürmen keineswegs vollkommene Sicherheit, wie deutsche und englische Kriegsschiffe 
wiederholt erfahren haben. Dagegen leidet die gegenüberliegende Küste an guten Rheden und 
Häfen keineswegs Mangel. Es sind hier insbesondere Tanga, Dar-zes-Salaam, Kilwa und Lindi 
zu erwähnen. 
Diese Nachtheile der Stadt Sansibar als Mittelpunkt seiner Besitzungen hat übrigens 
bereits Seyid Madjid, der Nachfolger des Seyid Said, erkannt. Derselbe beabsichtigte, 
seine Residenz nach Dar-es-Salaam zu verlegen; mächtige Bauten und Paläste waren ihrer 
Vollendung nahe, als der Sultan starb; seine Nachfolger ließen, von orientalischem Aberglauben 
geleitet, das Werk unvollendet. 
Hatte schon Seyid Madjid die Nothwendigkeit der Verlegung seiner Residenz nach 
dem Festlande beschlossen, obgleich für dessen weit nach Norden ausgedehnte, zum Theil an der 
Küste zerstreut liegende Besitzungen die Insel Sansibar vielleicht eher einen Mittelpunkt bilden 
konnte, so ist es für uns noch weit wichtiger, daß der Hauptort eines kompakten Gebietes von 
solcher Ausdehnung — unsere Interessensphäre in Ost-Afrika umfaßt etwa 1 000 000 akm, die 
preußische Monarchie 348 330 ukm — nicht außerhalb der Peripherie liegt. 
Ebenso wie die englisch-afrikanische Gesellschaft nicht gezögert hat, ihren Hauptsitz nach 
Mombassa zu verlegen und dies durch Hafenbauten, Telegraphenverbindung u. s. w. dem Handel 
und der Schifffahrt zugänglich zu machen, hat auch die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft stets 
den Standpunkt vertreten, daß wir, um unsere Kolonien selbstständig und unabhängig zu 
machen, den Schwerpunkt unserer Interessen nach dem Festlande verlegen müssen. 
„Nach den Erfahrungen“ — so äußert sich die Gesellschaft in ihrem letzten, vor dem 
deutsch-englischen Abkommen veröffentlichten Geschäftsbericht —, „welche in anderen afrikanischen 
Kolonien gemacht worden sind, hat sich der Handel immer von den Inseln nach dem Festlande 
gezogen und von da den Flüssen entlang nach dem Innern. Eine ähnliche Entwickelung wird 
auch in Ost-Afrika stattfinden, indem nach Etablirung europäischer Faktoreien an der Festlands- 
küste durch Ersparnisse an Transportkosten den Eingeborenen höhere Preise für ihre Produkte 
bezahlt werden können und der Handel an der Festlandsküste festgehalten wird.“ 
Die Gesellschaft hat mit der Anlage von Faktoreien an der Küste begonnen. Der 
erste Dampfer der deutschen Ost-Afrika-Linie wird im August d. J. im Hafen von Darzes- 
Salaam Anker werfen, ein Kabel wird in nicht ferner Zeit Bagamoyo und Dar-es-Salaam 
an das Telegraphennetz anschließen. So läßt sich hoffen, daß, wenn auch vielleicht erst nach 
Jahren, der Handel auf diesem wichtigsten Theil des ostafrikanischen Festlandes einen erfreulichen 
Ausfschwung nehmen wird. Nicht Sansibar beherrscht die Küste, sondern die Küste Sansibar. 
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß — das Protektorat über Sansibar mag für England 
werth sein, was es wolle — für uns die Erwerbung des 10 Seemeilen-Küstenstreifens einen 
größeren Nutzen bietet. Jetzt, nachdem der Vertrag mit England geschlossen ist, darf auf eine 
amtlich abgegebene Aeußerung der Vertreter der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft Bezug 
genommen werden. Dieselben erklärten, daß, wenn sie die Wahl gehabt hätten, das Protektorat
	        
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