Full text: Deutsches Kolonialblatt. IX. Jahrgang, 1898. (9)

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Kanus, uns abzuholen, und auch am 15. Juni mor- 
gens brachten sie nur zwei Kanus, mit denen wir 
über den hier 700 m breiten Mbam nach Balinga- 
senn setzten, wo denn auch der Balingahäuptling 
selbst erschien und mir sofort Führer nach Watavé 
besorgen wollte, denn die Balingas haben ja bis 
zur Zerstörung der Barongostadt im vorigen Jahre 
durch den Sergeanten Staadt eine Wutebesatzung 
im Lande gehabt und Ngilas Hand schwer genug 
fühlen müssen. 
Um 11 Uhr vormittags trafen wir in Balinga 
ein; hier ließ ich sofort abkochen, machte meine Leute 
mit meiner Absicht bekannt, ließ das gesammte Gepäck 
mit vier Soldaten zurück und marschirte mittags um 
2 Uhr mit von Balinga gestellten Führern in der 
Richtung auf Watavs an den Mbam, wo das 
Detachement um 6 Uhr abends eintraf. Da zwei 
Watavedörfer auf der anderen Mbanseite liegen, 
wurde bis zum Eintritt der völligen Dunkelheit mit 
Uebersetzen gewartet. Um 9 Uhr war Alles auf der 
Watavoseite des Mbam, und der Vormarsch begann. 
Watavé liegt ungefähr vier Stunden vom Mbam 
auf einer riesigen Bergkuppe, wohl 800 m über dem 
Meere, mitten in dichtem Walde. Es war so dunkel, 
daß Niemand seinen Vordermann sah. Mann an 
Mann sich haltend, ging es fallend und kriechend 
Schritt um Schritt vorwärts, bis wir uns um 
3 Uhr nach Angabe der Führer vor der Stadt be- 
sanden, von der wir nichts sahen. Lautlos lagen 
wir bis 5 Uhr, dann ging Unteroffizier Klein mit 
einigen Soldaten vor und stand nach wenigen Schritten 
vor einer zwelmannshohen doppelten Reihe Baum- 
stämme, die, mit einem halben Schritt Abstand gestellt, 
eng verflochten waren. Von einer Thür war nichts 
zu sehen, ein breiter Weg lief außen an der Palli- 
sadirung entlang. Auf diesem ging um 5½ Uhr 
der Unteroffizier Klein nach links, der Haussa- 
unteroffizier Massadu mit 15 Haussas nach rechts 
vor, um das Thor zu suchen. Ich selbst begann 
mit den bei mir gebliebenen Leuten zu versuchen, 
einen Balken loszuschneiden und in der Erde zu 
lockern. Noch damit beschäftigt, hörte ich plötzlich 
von links lautes Leuten einer Glocke, dann einen 
Schuß, wildes Hurrahrufen und Schreien. Als wir 
einen Balken aus der Erde gerissen hatten und uns 
durch die enge Oeffnung zwängten, war die Ver- 
wirrung in der Stadt schon eine allgemeine. 
Watave besteht aus ungefähr 800 großen runden 
Hütten, die eng aneinander gebaut rings um einen 
wohl 100 m breiten und langen Marktplatz liegen. 
Die Stadt ist ringsum von einer ganz neu angelegten 
Pallisadirung umgeben und hat vier Thore. Ueber 
jedem waren mehrere große Glocken angebracht, die, 
sobald nachts das geschlossene Thor aufgestoßen 
wurde, läuteten. An jedem Thor lag eine Wache. 
Der farbige Feldwebel Zampa, der mit Unteroffizier 
lein zuerst an ein Thor kam, hatte den sich ihm 
mit Schild und Speer entgegenstellenden Wachmann 
erschossen. Mit mir zugleich drangen von der anderen 
  
Seite die Haussasoldaten in die Stadt. Die Ueber- 
raschung war völlig gelungen. Die Wutes flohen 
kopflos und setzten sich nirgends geschlossen zur Wehr, 
sondern feuerten nur vereinzelt und versuchten, die 
scharf nachdrängenden Soldaten und MYaundes mit 
dem Speer abzuweisen. 
Ihre mühsam angelegte Befestigung wurde ihnen 
nun selbst zum Verderben. In den dicht gedrängten 
Massen an den engen Thoren fielen viele und noch 
mehr wurden wohl verwundet. Um 6½⅛ Uhr war 
bis auf die freiwillig in den Häusern gebliebenen 
Weiber, meist Sklaven, die Stadt von Wutes leer. 
Watavé selbst war zu Pferde entkommen. 
Zwei Pferde, 51 Gewehre, viele Hundert Speere, 
Schilde und Bogen wurden vernichtet, reiche Beute 
an Haussagewändern, Pauken und sonstigen Gebrauchs- 
gegenständen von Soldaten und Yaundes gemacht. 
Der Feind ließ 113 gezählte Todte in der Stadt. 
Die Expedition verlor einen Yaunde — Schuß 
in die Brust — und hatte zwei verwundete Soldaten 
(Andu Kano, Stich durch den Hals; Gowa, Schuß 
in die rechte Schulter). 
Von den Gefangenen wurden die meisten in ihre 
Heimath entlassen, elf elternlose Mädchen überweise 
ich der Mission in Kribi. 
Um 8 Uhr ließ ich den Rückmarsch antreten. 
Am 16. Juni um 3 Uhr nachmittags war das 
Detachement wieder in Balinga, wo es von der 
Bevölkerung jubelnd begrüßt wurde. Der 17. Junie 
war Ruhetag. Am 18. Juni morgens ging das 
Detachement noch einmal über den Mbam und re- 
kognoszirte das abgebrannte Matav#, um zu sehen, 
ob sich die Wutes bereits wieder gesetzt hätten. Die 
Gefallenen waren begraben, aber die Gegend ringsum 
verlassen. Am 19. Juni lagerte das Detachement 
wieder in Balinga. Auf dem Rückmarsch wurde der 
Mangissahäuptling Ebishimbi vertrieben, die Wute- 
stadt Menage, aus der Ngila auf die Kunde von 
der Erstürmung Watavés eiligst abmarschirt war, 
völlig zerstört. Da auch die Ngilabesatzung aus 
Zamba geflohen ist, hat Ngila nunmehr keinerlei 
Stützpunkte mehr nach Süden. 
—— 
Inzwischen ist noch ein weiterer Bericht des 
Premierlieutenants Dominik d. d. Yaünde, den 
8. August d. Is., hier eingetrofsen, wonach drei der 
einflußreichsten Großen aus der Umgebung Ngilas 
als Gesandtschaft mit drei großen Elfenbeinzähnen 
als Geschenk in Yaunde eingetrossen sind. Sie 
haben in Ngilas Namen, um Frieden gebeten und 
völlige Unterwerfung desselben versprochen. Ngila 
sei bereit, sich von Tibati loszusagen und selbst mit 
Dominik zusammenzukommen. Der Erfolg der 
Erstürmung Watavés ist demnach ein vollkommener 
gewesen und wird einen weiteren früher beabsichtigten 
Feldzug gegen Ngila. unnöthig machen. 
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