Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

die gehelmnisvolle Kunde von einem großen roten 
Wasser mit Dörfern, deren Bewohner sehr klein sein 
sollten. Als Name des Wossers wurde Maude ge- 
nannt. Auch mehrere Namen der Dörfer waren 
bekannt. Von den Leuten der Küste, die den Kanni- 
balismus als etwas Verächtliches ansehen, wurde noch 
heimlich herumgeflüstert, in einem der Kambadörfer sei 
vor Jahren ein der Neu-Gulnea-Kompagnie entlaufener 
Malaye aufgefressen worden. Wir beschlossen zunächst, 
nach dem geheimnisvollen Maude aufzubrechen. 
Am anderen Morgen (8. September) wurden die 
Träger gewechselt. Die Leute von Nobanob waren 
nicht zu bewegen, weiter mitzugehen. Sie wurden 
bis auf zwei entlassen, die als Dolmetscher uns be- 
gleiten mußten. Nach langer Wanderung bergauf, 
bergab errelchten wir ein Dorf Obi (6 Hürten), 
Entsernung 26 km. Das Dorf liegt im Tale auf 
einem kleinen Hügel. Von dem kurz vorher passierten 
Berge bot sich, ein seltener Fall, freie Aussicht. Im 
Südosten zeigte sich in der Ferne die See mit der 
Insel Bili-Bili, im Süden das Bismarck-Gebirge. 
In Obi stellte sich heraus, daß wir nicht den rich- 
tigen Weg eingeschlagen hatten. Es setzte sich des- 
halb ein Obi-Mann an die Spitze des Zuges, um 
uns nach Maude zu bringen. Nach 4 km steil 
bergab kamen wir plötzlich an einen größeren Fluß. 
Die Eingeborenen riefen erfreut: Maude, Maude. 
Da sie jedoch vorher immer von einem Wasser ge- 
sprochen hatten, das nicht fließe, erkannten wir bald, 
daß lediglich die Hoffnung, wir würden nun um- 
kehren, ihnen den Gedanken eingegeben hatte, uns 
diesen Fluß als Maude zu bezeichnen. Das ange- 
siellte Examen ergab auch bold, daß der Fluß Bigu, 
an seiner Mündung Gum heiße. Wir waren also 
am Oberlaufe des Marienflusses. Dessen Lauf eine 
Strecke stromauf folgend, wurde der Marsch zum 
größten Entsetzen der Eingeborenen fortgesetzt und 
nach beschwerlichem Anstieg, nach 22 km, ein hoch- 
gelegener geeigneter Lagerplatz in der Nähe des 
Dorfes Are (9 Hütten) erreicht. Dem Aufschlagen 
des Zeltes, dem Kochen und Essen sahen die herbei- 
geeilten Dorfbewohner verwundert zu. Weiße waren 
hier noch nicht gewesen. Ich bemerke hier, daß das 
Wohnen im Zelte auf freiem Platze in der Nähe 
eines Dorfes dem Übernachten im Männerhause des 
Dorfes, das auch als Herberge für Gäste dient, 
entschieden vorzuziehen ist. Zwar darf nach hiesiger 
Sitte der Gastfreund nicht unter Eindringen in die 
Hütte angegriffen werden, doch ist es erlaubt, von 
außen durch Dach und Fußboden mit Speeren zu 
stechen oder zu wersen. Gegen die Küstendörser 
sind die Hütten klein, insbesondere sehr niedrig. 
Die Schar der Neugierigen, die das Zelt umlagerte, 
mehrte sich. Schnell vertrieb sie mein bellend da- 
zwischen springender Hund. Jeder suchte sich auf 
dem nächsten Baum in Sicherheit zu bringen. Zur 
Erklärung sei hinzugefügt, daß die Hunde der Ein- 
geborenen niemals bellen, sondern nur heulen. Hunde 
besiten die Bergbewohner übrigens in großer Zahl. 
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Als Bezahlung dienen Perlen. 
  
Sie sind die Lieferanten für die viel begehrten, zum 
Schmuck verwandten Hundezähne für die Küstenleute. 
Auch hier darf der 
Handel nicht direkt erfolgen, sondern nur durch be- 
stimmte Dörfer als Vermittler. Als wir einen Gang 
ins Dorf Are unternahmen, flohen Weiber und 
Kinder entsetzt in die Hütten, an deren Eingang sich 
der Mann in die Türe hockte. Man lleß uns je- 
doch hineinsehen. Welber und Kinder hatten sich in 
die hinterste Ecke verkrochen und zitterten wie Espen- 
laub. Sehr erklärlich, wenn man bedenkt, daß sie 
zum ersten Male Männer sahen, die nicht ihrer 
Farbe waren, und sie annehmen mußten, wir wären 
nach dortiger Sitte gekommen, um sie trotz Freund- 
schaft nachts zu überfallen und aufzufressen. Als sie 
einige Perlen erhielten, die sie den Küstenleuten, die 
sich sehr gut aufs Handeln verstehen, teuer bezahlen 
müssen, wurden sie etwas zutraulicher. Zuretzt 
brachten sie große Mengen Feldfrüchte, um den heiß 
ersehnten Tabak zu erhalten. 
Der nächste Tag (9. Septbr.) wurde zu einem 
Rundgang durch die benachbarten Dörfer benuzzt. 
Nach Durchschreiten des Baches Mugum führte ein 
steiler Anstieg zu dem Dorfe Meß (8 Hütten), Ent- 
fernung etwa 2 km. Hier dasselbe Eatsetzen über 
den weißen, nie gesehenen Mann. Wieder bergab 
über den kleinen Fluß Tusam, einen Nebenfluß des 
Gusum (Gum), nach dem Dorfe Gal 1 (10 Hütten). 
Entfernung von Meß 2,5 km. Glühender Sonnen- 
brand herrschte auf der Alang-Alang-Kuppe, auf der 
das Dorf lag. Bereitwillig brachten die Bewohner 
Kokosnüsse und Feldfrüchte herbei. Sie erhielten 
dafür Tabak. Etwas nie Gesehenes blldeten für sie 
die Streichhölzer, mit denen wir uns die Zigarren 
ansteckten. Sie gaben mit Freuden ihre Haarkämme 
und andere Kleinigkeiten für elne Schachtel Streich- 
hölzer. Die Hütten waren außerordentlich llein. 
Zu erwähnen ist noch, daß wir in allen Bergdörfern 
im Gegensatz zur Küste Hühner sahen, fast nur solche 
von weißer Farbe, oder weiß mit schwarz oder braun. 
Eine Frage nach Eiern hatte kein Ergebnis. Die 
Hühner werden der Federn wegen gehalten, die als 
Kopsschmuck dienen. Gerade diese Farben müssen 
in den Augen Eingeborener als besonders schön 
gelten. Denn jeder der Polizeisoldaten suchte solche 
zu erhalten, und sie versicherten „good to much“. 
Mein Versuch, einige Leute zum Mitgehen nach 
Friedrich-Wilhelmshafen zu bewegen, schlug fehl. 
Auch hier die Angst vor dem Unbekannten. Nach- 
dem wir uns noch die Namen der in der Nähe 
sichtbaren Dörfer hatten nennen lassen: Gal 1I 
(8 Hütten), Sara, Sil, Bisima, Talagama, traten 
wir den Rückmarsch ins Lager bei Are an. Abends 
bei der Unterhaltung am Lagerfeuer im Dorfe stellte 
sich dann noch heraus, daß der blutrote See mit 
den kleinen Bewohnern des Strandes eine Erfindung 
war, gläubig von einem Dorf dem andern nach- 
erzählt, da niemand sich über das Gebiet der be- 
freundeten Dörfer hinauswagt.
	        
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