Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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ohne Beeinträchtigung gewährleistet, so brauchte niemand 
Kolonien. Aber die volkswirtschaftliche Entwicklung der 
letten Jahrzehnte hat gelehrt, daß der nationale Gedanke 
gerade auf der Grundlage neuerer Entwicklungstendenzen 
zu einem viel stärkeren Leben erwacht ist, als er es je 
vorher war. Der Welthandel wird heute mehr als je- 
mals durch solche nationalen Tendenzen einzelner Länder 
beeinflußt. Es braucht nur an die Politik der Vereinigten 
Staaten, an die Mac Kinley-Bill mit ihren Folgen er- 
innert zu werden; es braucht nur erinnert zu werden an 
die Maßnahmen, die der australische Bund zur Beförde- 
rung des englischen Handels und der englischen Schiff- 
fahrt unter der Beeinträchligung des Handels und der 
Schiffahrt anderer Länder trifft. Diejenige Nation 
wird von solchen Einschränkungen am meisten 
betroffen, deren Welthandel und Weltschiffahrt 
sich am meisten entwickelt hat. Diese Nation ist 
Deutsch . 
Die temuunis der hier skizzierten Tatsachen ist bei 
allen Kulturvölkern gleichzeitig aufgetreten und hat die- 
selbe Folge gehabt, nämlich den Ubergang zur Kolonial- 
politik. Bei allen Kulturvölkern der Gegenwart ist diese 
Erkenntnis in den politischen Kreisen durchgedrungen, nur 
bei uns nicht. Und doch ist Deutschland dasjenige 
Land, welches für Kolonialpolitik am meisten 
prädestiniert ist. 
Die Ausdehnung unseres überseeverkehrs spricht zu- 
nächst dafür. Wir besitzen ferner, abgesehen von den 
Vereinigten Staaten, die größte jährliche Bevölkerungs- 
zunahme unter allen Völkern der Welt. Die deutsche 
Durchschnittsbildung ist erheblich höher als bei allen 
anderen Nationen; der Drang zur Ubersee-, zur Kolonial- 
betätigung ist bei den Deutschen uralt und hat die Kulti- 
vierung ganzer Erdteile, aber für fremde Rechnung, zur 
Folge gehobt. 
Eine Diskussion über die Nütlichkeit oder Notwendig- 
keit der Kolonialpolitik an sich dürfte ernsthaft überhaupt 
nicht mehr in Frage kommen: Sie hat nur die eine 
—. 
Folge, uns vor der Welt lächerlich zu machen und 
  
eine unter keinen Umständen mehr zurückzuhaltende Eni- 
wicklung zu verlangsamen. 
Es lohnt sich kaum, die Prinzipienreiter aus der 
Kolonialgegnerschaft durch Ziffern belehren zu wollen: 
immerhin redet die Steigerung der handelspoliti- 
schen, nach den Kolonien gehenden und von dort 
kommenden Werte eine deutliche Sprache. 
Wir haben im Gegensav zu anderen Nationen so gut 
wie keine Verkehrsmittel in unseren Rolonien geschaffen. 
Wir haben mit dem größten Widerstreben innerhalb 
Deutschlands arbeiten müssen; die Unternehmungslust har 
leinerlei Garantic dafür gehabt, daß ihre Anlagen einen 
Rückhalt finden würden, und doch haben alle Kolonien 
eine A ufwärtsbewegung zu verzeichnen, die nur 
durch Ignoran oder Böswilligkeit geleugne: 
werden kann. D Daß man in zwei Jahrzebnten Länder, 
welche viermal so groß sind wie das Deutsche Reich, nicht 
völlig erschließen kann, zumal dann nicht, wenn die gesesr 
gebende Körperschaft die NRegierungsanlagen nur tropfen- 
weise bewilligt, und wenn von irgendeiner Einheitlichkeir 
in der Kolonialpolitik infolgedessen nicht die Rede sein 
kann, das liegt doch auf der Hand. 
Mehr als beschämend ist es, wenn man in der unmittel- 
baren Nachbarschaft unserer eigenen Nolonien durch die 
Erfolge anderer in Kolonialpolitik erfahrener Staaten, die 
entweder unter ganz gleichen örtlichen Bedingungen oder 
sogar unter viel schlechteren in die Erschließung ihrer 
Kolonialgebiete eingetreten sind, beweisen muß, was aus 
jenen Gebieten zu machen ist. 
Die englische Uganda-Bahn, die alle deutschen Waren 
aus dem Gebiete des Viktoria-Sees an sich zieht, die un- 
geheuren Bahnanlagen Englands in Südafrika reden hier 
eine so deutliche Sprache, daß man sich schon beide Ohren 
verstopfen muß, wenn man sie nicht hören will. 
Das deuische Volk steht gegenwärtig an einem Scheide- 
wege. Erkennt es die volkswirtschaftlichen Grundlagen 
nicht, denen die Neuzeit ihre gesamte Gestalt verdankt, so 
werden andere Nationen unsere lachenden Erben 
sein. 
  
Verkehrs-Nachrichten. 
In Kondoa-Irangi, 
und am 1. Dezember 1906 eröffnet worden. 
In Atakpame (Togo) ist am 
1. Jannar d. Js. 
Bezirk Mpapna (Deutsch-Ostafrika), ist eine Postanstalt eingerichtet 
eine Postagentur eingerichtet worden, 
deren Tätigkeit sich bezüglich des Postbetriebes auf die Annahme und Ausgabe von gewöhnlichen 
und eingeschriebenen Briefsendungen, auf den Zeitungs-, Postanweisungs= und Nachnahmedienst, aui 
den Paketdienst im Verkehr innerhalb des Schutzgebiets und seit dem 11. Jannar auch auf den 
Telegraphendienst erstreckt. 
Die Worttaxe für Telegramme nach Atakpame ist dieselbe wie für die übrigen Anstalten 
des Schutzgebiets.
	        
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