Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

6 289 
auch die Geschwürkranken hier baden, so ist es 
leicht verständlich, daß mit dem abgespülten Eiter 
ahlreiche infektiöse Keime in das Wasser ge— 
ngen und für die Gesunden eine große Gefahr 
ilden, weil sich bei Leuten mit kleinen Wunden 
und Schrunden aus diesen Keimen leicht spezifische 
Geschwüre entwickeln können. Vor allem besteht 
die Gefahr der lbertragt A « i 
— gung von Augenkrankheiten 
Ei Abgesehen von der nach Jap verpflanzten 
bitte, „Mongols“ in den Bais zu halten, sind 
ie Sitten beider so nahe gelegener Inseln sonst 
völlg verschieden. Von der Anlage des Dorfes, 
dem Baufil der Wohn= und Klubhäuser an, von 
ninl nallde bis zu den Einzelheiten der Familien= 
W*“ "en ich fast überall diametrale Unterschiede. 
38 er Umstand, daß die große Kluft, welche 
1 Jap Freie und Hörige trennt, in Palau fehlt, 
gibt dem ganzen Volksleben hier etwas viel 
Freieres und Frischeres. Die Leute werden ihres 
Lebens viel mehr froh, während in Jap alles 
unter dem dumpfen Drucke einer — wenigstens 
nach außen — prüden und starren Sitte steht. 
Auch die völlig verschiedene Stellung der Frau 
spielt hier mit. Während in Palau die Frauen 
dem Manne gleich stehen und sich zu Klubs zu- 
sammenschließen, die sogar Männer bestrafen 
können, spielt die Frau in Jap eine ganz unter- 
geordnete Rolle. Sie ist hier ein demütiges 
Arbeitstier, wenn sie ihren Jugendreiz und ihre 
Schönheit verloren hat. Wenn in Jap Frauen 
und Männer zusammenkommen, sitzen sie durch 
einen großen Zwischenraum nach Geschlechtern 
getrennt, die Frauen mit niedergeschlagenen 
Angen. Jedes freie Wort, jeder Scherz ist streng 
verpönt. In Palau dagegen sitzt alles lachend 
und blandernd durcheinander, gerade die Frauen 
sad es hier, welche die Männer oft mit recht 
erben Scherzen necken. 
2 
u 
Der „Ngardot“-See und die Sage seiner 
Entstehung. 
S An der Nordostseite der Hauptinsel von Palau, 
aobelthaop, einige Kilometer vom Meere ent- 
fernt, liegt in einem Talkessel der Ngardolsee, 
eine Süßwasseransammlung von beträchtlicher 
vorse. Genauere Messungen über die Größen- 
verhältaisse des Sees konnte ich nicht anstellen, 
doch schätze ich seine Länge auf 800 bis 1000 m, 
ie größte Breite auf 300 bis 400, die größte 
Beele auf 5 bis 6 m. Mit seinen zahlreichen 
ruchten und den dicht bewaldeten, ansteigenden, 
von unzähligen Wildtauben und Enten bewohnten 
fern gewährt der See einen idyllisch schönen 
  
  
Anblick. Zwei kleine Flüsse entspringen aus ihm, 
von denen der eine mit verschiedenen kleinen 
Wasserfällen nach Südosten, der andere nach 
Nordwesten abfließt. Die Ufer des Sees sind 
namentlich am ganzen Nordende mit dichtem 
Röhricht und Binsen bewachsen; diese Binsen 
liefern den Frauen von Mologejok das geschätzteste 
Material zu ihren Grasschürzen. Der Grund des 
Sees ist an einigen Stellen morastig, an anderen 
fest und steinig, hier von grauschwarzer Farbe. 
Groß ist der Fischreichtum; besonders zahlreich 
sind schwarzbraun, gefärbte über einen Meter 
lange Aale. Die Höhen rings um den See 
bilden ein Hauptjagdrevier auf Tauben für die 
Leute von Mologejok. Uberall sieht man kleine 
mit grünen Büschen vom „Agoiß"-Baum bedeckte 
Hütten. Die Früchte dieses Baumes sind die 
Lieblingsnahrung der Tauben. Auf dem Dache 
der Hütten sitzen zahlreiche zahme Tauben, die 
ihre wilden Genossen anlocken. Sehr geschickt 
wissen dann die Eingeborenen die Vögel mit 
Blasrohren zu erlegen. 
Über die Entstehung des Sees erxistiert in 
Mologejok eine poesievolle Sage. Einst lag da, 
wo jetzt der Ngardoksee blau zwischen den Bergen 
schimmert, ein großes „Ammessêsi“, ein Tarofeld, 
das einer Frau mit Namen Diraörak aus dem 
Dorfe Plisan gehörte. Das Dorf Plisan ist schon 
lange ausgestorben; nicht einmal Ruinen oder 
verfallene Wege zeigen wie bei anderen solchen 
Dörfern die Stelle an, wo es einst gestanden 
hat. Diraurak ging eines Tages mit ihrer kleinen 
Tochter über die Berge nach Ngardok, um 
„Gugau“ (Taro) zu holen. Fleißig stachen sie 
die nahrhafte Wurzel aus dem Sumpf und 
häuften sie in Kokosblattaschen. Als sie sich nun 
auf den Heimweg machten, sprach Diraurak zu 
ihrer Tochter: „Nimm diese Körbe und folge mir. 
Kehre dich aber nicht um nach dem Felde, wenn 
du auf dem Berge angekommen bist.“ Die 
Tochter versprach es; als sie aber, mit ihrer 
schweren Last auf dem Kopfe, oben angekommen 
war, wo man auf der einen Seite das unendliche 
Meer und auf der anderen den See sieht, da 
vergaß sie das Verbot der Mutter. Sie blieb 
stehen und kehrte sich um nach dem Tarofeld, 
das tief unten zwischen den Bergen lag. Da 
sanken plötzlich die großen grünen Blätter tiefer 
und immer tiefer und waren schließlich ganz im 
Wasser verschwunden. An der Stelle aber, wo 
das reiche „Gugan“-Feld gelegen hatte, wogte 
eine weite, klare Wasserfläche. So kam es, daß die 
reiche Frau Diraurak durch den Ungehorsam ihrer 
Tochter ihren ganzen Besitz verlor und verarmte. 
75
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.