Metadata: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

18 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
verloren. Schanzenbach führte uns dann in verschiedene Spitäler. Sehr 
gut sind die sogenannten Barackenspitäler nach amerikanischem Muster. 
Es sind Bauten von Holz, nach einer Seite offen, durch Segeltuch zu 
schließen. Die Betten stehen an der festen Wand. Alle mit zwei Kopf- 
kissen, wollenen Decken, Pantoffeln darunter, alles sehr reinlich; drei barm- 
herzige Schwestern versehen den Dienst. Es werden erst heute Verwundete 
hineinkommen. Im Militärspital in der Müllerstraße, wohin wir dann 
fuhren, fanden wir viele Verwundete, Franzosen, Bayern und Preußen. 
Das Lazarett ist schmutzig und ohne Zweifel der Pyämie ausgesetzt. Die 
Ventilation ist schlecht, der Dienst mangelhaft. Man will einen Teil der 
dortigen Verwundeten in die Baracken abholen. Ich sprach mit einigen 
Franzosen, die alle ganz gutmütig aussehende Leute sind. Dagegen machen 
die Turkos einen unangenehmen Eindruck. Es sind teils Neger, teils 
Araber, teils unbestimmtes gelbes Gesindel. Ein Neger, ein Familien= 
vater, war durch seinen arabischen Herrn an der Stelle des Sohnes des 
letzteren in die Konskription gegeben, und lag nun ganz elend da. Ein 
Sergeantmajor schien ein gebildeter Mann. Die Wunden sind alle zu 
heilen, doch fürchtet Schanzenbach, daß in diesem Spital Pyämie eintreten 
werde. Ein Preuße, der gestern gestorben ist, hatte nur eine leichte 
Wunde. Ich gestehe, daß sich hier der Krieg in seiner traurigsten Gestalt 
darstellte. Als ich Nachmittags in den Zoologischen Garten zu einem 
patriotischen Gartenfest ging, hatte ich den Eindruck davon immer gegen- 
wärtig. Alle diese Spießbürger, die bei Bier und Kalbsbraten unter 
Fahnen Hurra schrien, kamen mir widerwärtig vor, und in den Klang 
des Liedes „Die Wacht am Rhein“ mischte sich der Ton der Stimme 
des verwundeten Franzosen, den ich im Spitalgarten auf dem Rasen 
liegend fand, und der „non Dieu, mon Dieu!" rief. Das Fest war 
übrigens recht hübsch arrangiert. Alles hatte goldene Eichenblätter als 
Eintrittszeichen, die sich die Patrioten als Ordenszeichen ansteckten. Der 
unermüdliche Knorr1) hatte die Sache in Szene gesetzt. Ich wurde viel- 
fach begrüßt und mir die Hoffnung ausgesprochen, daß ich nun bald 
wieder Minister werden und Deutschland mit fertig machen würde. Die 
guten Leute lassen sich von den Schwierigkeiten noch nichts träumen. 
München, 17. August 1870. 
Heute waren Barth und der Abgeordnete Stauffenberg bei mir, 
Letzterer war eben von Berlin zurückgekommen und berichtete über seine 
dortigen Eindrücke. Er sagt, man sähe es dort als ganz selbstverständlich 
an, daß nun Deutschland gegründet sei. Dies „man“ bezieht sich auf seine 
  
1) Julius Knorr, Eigentümer der „Münchner Neuesten Nachrichten“.
	        
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