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unseren Kolonien vorliegen, und mit deren An-
bau schon ausreichende Erfahrungen gemacht sind.
Diese Erkenntnis hat offenbar schon frühzeitig
dazu geführt, Gerbstoffgewächse aus anderen
Ländern nach unseren Kolonien zu verpflanzen.
Anfangs handelte es sich meist nur um kleinere
Versuche; erst in letzter Zeit haben diese größere
Dimensionen angenommen.
1. Gerberakazien.
Die größte Ausdehnung haben bis jetzt die
Anbauversuche mit den australischen Gerber-
akazien erlangt. Diese Kultur empfahl sich zu-
nächst für gewisse Teile Ostafrikas besonders,
weil sie sich in anderen Ländern unter ähnlichen
klimatischen Bedingungen vorzüglich bewährt hat
und man bereits größere Erfahrung darin besitzt
als bei irgend einem anderen in Kultur genom-
menen Gerbstoffgewächs.
Die Kultur der australischen Gerberakazien
(Wattle), worunter eine ganze Anzahl nahe ver-
wandter Arten, besonders A. decurrens und
mollissima (Black wattle), A. pyenantha und
pennin ervis (Golden-wattle), sowie A. deal-
bata und saligna (Silber-wattle), verstanden
werden muß, hat sich naturgemäß am ersten in
ihrem Heimatlande entwickelt. Merkwürdigerweise
ist sie aber gerade dort nicht zur größten Aus-
dehnung und Vollkommenheit gelangt, sondern
in einem Lande mit wesentlich anderen Pro-
duktionsbedingungen, nämlich in Südafrika, und
zwar vorwiegend in Natal. Man scheint in
Australien den Fehler begangen zu haben, bei
der Einführung der Kultur systemlos zu ver-
fahren. Es wurden meist Vollsaaten über große
Ländereien angelegt, wobei häufig falscher Samen
benutzt wurde; den jungen Kulturen ward nicht
die erforderliche Pflege zuteil. So kam es, daß
viele Unternehmungen nicht reussierten. Erst in
neuerer Zeit scheint man zu einer rationelleren
MWirtschaft übergegangen zu sein und die Wattle-
kultur macht wieder Fortschritte.“)
In Natal dagegen hat man beim Wattleanbau
von vornherein zielbewußter gewirtschaftet; man
beschränkte sich bald ganz auf die Kultur der am
geeignetsten befundenen Acacia mollissima, und
infolgedessen sind die anderen Arten in diesem
Lande heute zur völligen Bedeutungslosigkeit her-
abgesunken.
Vereinzelt, nicht in größerem Umfange finden
wir die Kultur der Acacia decurrens in
*) Siehe „Tropenpflanzer“ 1907, Heft 11, S. 260,
aus der Finanzgchronik Melbournes; desgl. G. M. Satton
a. a. O.
Vorderindien,'") desgleichen auf Hawaii. Hier
hat dieselbe Ursache zu ihrer Entstehung geführt
wie in Natal, nämlich die außerordentliche Nach-
frage nach Gerbmaterialien vor etwa zwei Jahr-
zehnten.
Die Pflanzungen blieben aber später liegen,
weil man sich lohnenderen Kulturen zuwandte.“)
Wir haben hier Beispiele dafür, daß der Black-
wattle auch im tropischen Klima auf sehr ver-
schiedenen Böden gedeiht.““)
Daß sich die Gerberakazienwirtschaft in Natal
zu solcher Blüte entwickelt hat, ist den günstigen
natürlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen
zu verdanken, die sich daselbst dieser Kultur dar-
boten. Die ausgedehnten, meist nur welligen
oder schwachhügeligen Grasflächen des Hochlandes
mit seinen gleichartigen, für das Gedeihen des
Baumes günstigen Klima= und Bodenverhält-
nissen gestatteten die Anwendung der Arbeit er-
sparenden Pflugkultur, und die ausgezeichneten
Verkehrsverhältnisse des Landes ermöglichten die
Ausnutzung relativ großer Gebiete für den be-
sagten Zweck. Diesen Vorteilen gegenüber konnte
der Nachteil der höheren Bodenpreise sowie der
weniger günstigen Arbeiterverhältnisse nicht allzu
schwer in die Wagschale fallen. Heute ist aller-
dings durch das Sinken des Marktpreises der
Rinde der weiteren Ausdehnung der Akazien-
kultur eine gewisse Schranke gezogen. Es soll
über 250 km hinaus von der Küste landeinwärts
schon keine genügende Rentabilität mehr vor-
handen sein. Angeblich steht jedoch wieder eine
Preiserhöhung bevor, die, wenn sie längere
Zeit anhält, in Natal wie in anderen Ländern
auf den Gerberakazienanbau fördernd wirken wird.
Die erste Anlage eines Blackwattle-Bestandes
geschieht allgemein durch Saat und zweckmäßig in
Verbindung mit Zwischenkultur von Mais, einer
Körnerfrucht, für die es im Bereiche des Verkehrs
nirgends an Absatzgelegenheit fehlt. Die am
meisten gebräuchlichen Methoden der Reihen= bzw.
Plätzesaat sind schon mehrfach beschrieben, und
ich kann deshalb auf die diesbezügliche Literatur
*) So erwähnt Stuhlmann in seinem ostindischen
Reisebericht („Tropenpflanzer" 1900, S.596) das massen-
hafte Vorkommen von Acacia decurrens in den Bergen
am Godavari, wohin sie vor vielen Jahren gebracht
wurde, seitdem ohne besondere Pflege üppig gedeiht
und jetzt sozusagen ein unausrottbares Unkraut bildet.
*) Nach einem Berichte der Hawati Agricultural
Experiment Station (Bulletin Nr. 11 1906): The Black
Wattle (A. decurrens) in Hawai von J. und G. Smith
ist der Blackwattle auf Hawai jetzt überall vereinzelt
vorhanden: größere Bestände wurden dagegen nur am
Tantalus-Berg angelegt, sie haben sich daselbst auf
sehr ungleichartigen Böden gut entwickelt, ja sie kamen
sogar auf felsigem Boden noch einigermaßen fort.