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Die Verfasser des Code haben darin das Ein-
geborenen-Recht nicht vollkommen in der von den
Eingeborenen ausgebildeten Form aufgenommen,
sondern, soweit es ihnen erforderlich erschien, Ande-
rungen vorgenommen und Zusätze gemacht (pogl.
Preamble des Law 19 of 1891).
Der Code zeigt demnach die Stellung der
Gesetzgebung zum Eingeborenen-Recht einerseits an
dem daraus unmittelbar Ubernommenen, anderseits
an den Anderungen und Zusätzen.
Von diesem Gesichtspunkt aus wollen wir im
Anschluß an den Code die wichligsten darin be-
handelten Rechtsmaterien untersuchen.)
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, bedarf
es einer Quelle für die Kenntnis des Eingeborenen=
Rechts in seinen reinen, von jeglicher Anderung
seitens fremder Elemente freien Form. Eine Auf-
zeichnung des Eingeborenen-Rechts von Natal in
solcher Form gibt es nicht, aber der Report gibt
manchen Fingerzeig, und außerdem gibt Maclean?)
in seinem „Compendium of Kafir Laws and Cu-
stoms“ eine Aufzeichnung des Eingeborenen-Rechts.
Allerdings behandelt diese Sammlung nur die Ein-
geborenen Britisch Kaffrarias, d. h. des Landes
zwischen dem Great Fish River und dem Umtata,
aber es herrscht zwischen den Rechtsinstituten der
Stämme gleicher Rasse naturgemäß an sich eine
gewisse Ahnlichkeit, und außerdem besteht die Ein-
geborenen -Bevölkerung Natals (ohne Zululand)
im wesentlichen aus Kaffern, die aus dem Süden
eingewandert sind.3) Es ist somit die Verwandt-
schaft zwischen den Eingeborenen Natals und denen
Britisch Kaffrarias eine besonders nahe.
1. Die Stammesverfassung.
Das Verständnis der Stammesverfassung der
Eingeborenen ist die Grundlage für das weitere
Verständnis des Rechtslebens der Eingeborenen.
Was die Stammesverfassung in großen Zügen bietet,
spiegelt sich zum Teil im engen Kreise des einzelnen
Kraals wieder. Das Stammessystem in seiner
reinen Form ist bereits oben in seinen Grundzügen
charakterisiert, es gilt jetzt zu untersuchen, welche
Gestaltung es durch die Gesetzgebung der Kolonie
erfahren hat.
Die Stammeshierarchie bei den Kaffern hatte
solgende Stufen: Oberhäuptlinge, Häuptlinge, Unter-
häuptlinge, Dorfälteste und Kraalsväter. )
Der Codes) kennt einen „Supreme Chief“ oder
1, Dabei wird nicht nur der Code selbst. sondern
es werden auch seine Amendemems und andere im
Zusammenhange stehende Gesetze berücksichtigt werden.
*?) Maclcan war in den fünfziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts Chies Commis#ioner in Britisch-
Kaffraria und besorgte das KRompendium im Auftrage
des Gouverncurs der Kapkolonic. Es hat also eine
gewisse amtliche Antorität.
Agl. The Jalives of Somh Africa,
4 Dgl. lihe Jatives of South Africa,
5) Code Scc. 32, P, 10, 13.
.15
Z. 15
S. 25.
u. 16.
Oberhäuptling über sämtliche Eingeborene der
Kolonie, ferner Häuptlinge (chieks), die einen
ganzen Stamm oder den Teil eines solchen unter
sich haben. Sie besitzen ihr Amt entweder erblich
unter Anerkennung desselben durch den Oberhäupt-
ling oder sind von diesem angestellt. Nach den
Häuptlingen kommen im Code die „districthead-
men“, sie entsprechen ungefähr den Unterhäupt-
lingen und verwalten unter der Kontrolle des
Häuptlings einen einzelnen Bezirk des Stammes-
territorinms. Eine Erblichkeit dieser Stellung kennt
der Code nicht; die Distriktshauptleute werden viel-
mehr vom Häuptling ernannt und angestellt. Die
letzte Stufe der Hierarchie bilden die „Kraalheads“
(Kraalsväter), sie sind das natürliche Oberhaupt
einer in einem oder mehreren Kraals zusammen-
gefaßten Familie.
Der Code hat die Stellung und Funktionen der
Glieder dieser Hierarchie durch eingehende Vor-
schriften bestimmt.
a. Der Oberhäuptling.
Die Würde des Oberhäuptlings ist in Natal
dauernd mit der Stellung des Gouverneurs der
Kolonie verbunden (Secc. 5 des Code).
Der Zweck dieser Anordnung war einmal, der
Stellung des Gouverneurs ein dem Eingeborenen
verständliches Gewand zu geben und feiner, dem
Gonverneur gewisse Verwaltungsbefugnisse, die dem
eingeborenen Oberhäuptling zustanden, aber eigent-
lich außerhalb der Befugnisse eines Gouverneurs
lagen!) in die Hand zu geben. )
Die wichtigsten Befugnisse des Gouverneurs als
Oberhäuptling 5) sind folgende:
Er kann Häuptlinge einsetzen und Stämme nach
den Bedürfnissen besserer Verwaltung zerlegen oder
zusammenfassen. Unter Mitwirkung des Executive
Council der Kolonie darf er auch Häuptlinge wegen
politischer Verbrechen, Unfähigkeit oder aus sonstigen
triftigen Gründen absetzen, und sie dann mit ihrer
Familie und ihrem Eigentum in einen anderen Teil
der Kolonie verpflanzen.
Er ist feiner befugt, den Häupilingen und
Distriktshauptleuten die Stellung Bewaffneter zum
Schutze der Kolonie oder zur Unterdrückung von
Aufruhr aufzuerlegen und von allen Eingeborenen
die persönliche Leistung solcher Dienste zu verlangen.
Ebenso steht es in seiner Macht, Eingeborene
zu Dienstleistungen für öffentliche Arbeiten im
Interesse der Kolonie auch gegen ihren Willen
heranzuziehen.
1) Die Stellung des Gonverneurs erläuert Jenkins
S. 99 f.
2) Vgl. Sec. 219 des Reports und Scc. 7 des
Law 144 of 1887 „0 uamend ihe untive Administration
Law 1875“.
3) Ugl. Code Scc. 32 bid 12.