Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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Kus fremden Kolonien und Droduktionsgebieten. 
  
* Der Gesundheitsdienst in Kranzösisch-Guinea. 
Von Regierungsarzt Dr. Külz. 
I. Allgemeine Organisation des Gesund- 
heitsdienstes in der Kolonie. 
Die französische Guineaküste entbehrt nicht 
eines gewissen historischen Interesses für uns 
Deutsche, denn für kurze Zeit hat über ihr vor 
25 Jahren die deutsche Flagge geweht. 
Dr. Nachtigal erschien auf seiner westafrikanischen 
Fahrt 1884 außer an der Kamerun= und Togo- 
küste auch hier und schloß mit den Häuptlingen 
der noch herrenlosen Gebiete von Kobah, 
Kabitaye und Kaloum Schutzverträge ab. Eine 
deutsche Firma (Kolin) war damals die einzige, 
die hier wesentliche Handelsinteressen hatte. Leider 
konnte das deutsche Protektorat gegenüber dem 
Protest der Franzosen nicht aufrecht erhalten 
werden. Bei der definitiven diplomatischen Rege- 
lung der deutschen Ansprüche in Westafrika im 
Dezember 1885 trat Deutschland von diesen Ver— 
trägen zurück, um dafür die Anerkennung seines 
Besitzes der Togoküste durchzusetzen. Aber erst 
1890 wurde das Land in französische Verwaltung 
genommen. Die Kolonie, das Quellgebiet des 
Niger, erstreckt sich in westöstlicher Richtung von 
der Küste her zwischen dem 9. und 12. Breiten- 
grade etwa 700 km weit in das Innere hinein. 
Ihr Flächeninhalt beträgt rund 280 000 qkm, 
also reichlich die Hälfte von Kamerun, mit un- 
gefähr zwei Millionen Einwohnern. Als einziger 
bedeutender Hafenplatz für den Außenhandel 
kommt nur Conakry in Betracht, das zur Zeit 
von 500 Europäern und 5000 bis 6000 Ein- 
geborenen bewohnt wird. Die das Klima haupt- 
sächlich bestimmenden Faktoren ähneln an der 
Küste durchaus denen Kameruns, die Menge der 
jährlichen Niederschläge bewegt sich um die Grenze 
von 4000 mm, die mittlere Jahrestemperatur 
beträgt 27°5; der Boden besteht aus rotem Laterit. 
Es fehlt indessen dem Lande der dichte Urwald- 
gürtel Kameruns, und das Landschaftsbild erinnert 
in seiner Vegetation an der Küste deshalb den- 
jenigen Teilen Kameruns, die man nach über- 
windung der Urwaldzone erreicht. Das Hinter- 
land der Cöte de Guinée wieder hat eine über- 
raschend große Ahnlichkeit mit Nordtogo, dessen 
geographische Breite es teilt, eine Ahnlichkeit, die 
sich nicht nur auf Flora und Fauna, sondern 
auch auf die Bevölkerung, auf den ganzen „Sudan- 
charakter" des Landes erstreckt. Ich sah dieselben 
Rundhütten mit ihren hohen Kegeldächern, deren 
Spitzen von einem umgestülpten Tontopf oder 
  
vereinzelt von einem Straußenei gekrönt sind; 
dieselben Fullahs, die hamitischen Viehzüchter mit 
ihrem schlanken Gliederbau und ihrer charakte- 
ristischen Tracht; dieselben Haussah-Niederlassungen, 
vorgeschoben in das Gebiet der ursprünglichen 
Landesbewohner; landschaftlich dieselbe Baum- 
savanne; es wehte derselbe trockene Harmattan, 
es prasselten dieselben Grasbrände; und über dem 
Ganzen lag dieselbe Gluthitze des Sudaus. Selbst 
die Namen der Ortschaften kehrten wieder oder 
ähnelten denen Nordtogos: Sugu, Bassari, 
Mirikiri usw. Auch die Volkskrankheiten, die unter 
den Eingeborenen hausen, sind die gleichen; gleich 
sind deshalb auch die hauptsächlichsten hygienischen 
Fragen, die für Weiße und Schwarze ihrer prak- 
tischen Lösung harren. 
Das ganze Land ist in zwanzig Verwaltungs- 
bezirke eingeteilt (cercles). Der Ort Conakry hat 
Munizipalverwaltung, auf die ich ganz kurz ein- 
geheen muß, weil sie eine wichtige Rolle in den 
örtlichen Assanierungsarbeiten Conakrys“ spielt und 
weil sie, soweit diese Seite in Betracht kommt, 
vielleicht in einzelnen Punkten zu vergleichender 
Nachprüfung für die im Werden begriffene Kommune 
Duala anregen kann. An der Spitze der städti- 
schen Verwaltung steht ein Maire, ihm zur Seite 
eine aus Europäern und Farbigen zusammen- 
gesetzte „Commission municipale“. Die der Stadt 
zur Verfügung stehenden Mittel bestehen zur 
Hälfte aus eigenen Einnahmen, zur anderen Hälfte 
aus einem ungefähr gleich hohen Zuschusse des 
Gouvernements. Der städtische Etat für 1909 
z. B. beläuft sich in Einnahmen und Ausgaben 
auf 300 000 Fr.,') wovon 160 000 Fr. aus 
eigenen Einnahmen fließen, 140 000 Fr. vom 
Gouvernement getragen werden. Die Quellen 
der ersteren sind vornehmlich Einnahmen aus der 
Wasserleitung des Ortes, der Straßenbahn, Markt- 
steuer, Kopfsteuer der Farbigen Conakrys“") und 
Lizenzen; mit kleineren Beträgen figurieren: 
Strafgelder, Hundesteuer, Schlachthaus. Von 
diesen 300 000 Fr. werden außer dem Gehalt 
der weißen und farbigen im Kommunaldienst be- 
schäftigten Beamten bestritten: die Kosten der 
Eingeborenenpolizei, des städtischen Gesundheits- 
dienstes, Fleischbeschau, der Wasserleitung, Straßen- 
anlage und deren Instandhaltung, Straßen- 
*) Uberall, wo ich Zahlen oder statistisches Material 
anführe, habe ich ausschließlich aus amtlichen mir zu- 
gänglich gewesenen Quellen geschopft. 
**) In der ganzen RKolonie ist innerhalb weniger 
Jahre ohne große Schwierigkeiten eine Ropfsteuer von 
3 Fr. für jeden Farbigen eingeführt, die jährlich über 
5 Millionen Francs einbringt.
	        
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