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Der Boden des ganzen Landes besteht fast
durchweg aus grauweißem Sand, in dem sich
hier und da auch Kalktuff und Tonmischungen
finden; leider ist der zur Erbauung von Häusern
so dringend nötige Lehm nicht vorhanden.
Immerhin haben die im Lande lebenden Weißen
— bis jetzt fast nur Missionare — sich zu helfen
gewußt. Ihre Häuser find sozusagen aus Sand,
aus an der Luft getrockneten Sandsteinen auf-
gebaut, die nur durch die mächtigen, über-
hängenden Dächer gegen jeden Regentropfen ge-
schützt und so vor der Zerstörung bewahrt werden.
Wahre Kunstwerke sind diese Dächer; ihre Her-
stellung erfordert einen Riesenaufwand von Fleiß
und Geschicklichkeit. Der steil gehaltene Dachstuhl
besteht aus geschältem Stangenholz, das in Dreieck-
verbänden ein festes Gefüge bildet. An Stelle
von Bolzen, Klammern, Nägeln und Draht tritt
der Ochsenriemen, welcher von den Eingeborenen
aus roher Ochsenhaut geschnitten, mit Fett ein-
gerieben und etwas rund gedreht wird. Diese
Riemen werden in nassem Zustande verarbeitet.
Beim Trocknen entsteht durch die Verkürzung eine
vorzügliche Verbindung, die sich schließlich nur
durch die Art wieder lösen läßt. Die Bedachung
besteht aus dem Kornstroh des Landes, das weit
über mannshoch wird. Diese Dächer haben, ab-
gesehen von ihrer Wasserdichtigkeit, den großen
Vorzug, daß sie den Gebäuden trotz des tropischen
Klimas eine angenehme Kühle verleihen. Gleich-
zeitig genießen die Bewohner durch das weit
überhängende Dach die Annehmlichkeit einer das
ganze Gebäude umgebenden Veranda.
Die Bewohner des Ambolandes sind Kaffern-
stämme, Angehörige der großen Bantu-Rasse,
deren Ursprung auf Zentralafrika weist. Die
Männer sind herkulische Gestalten, meistens über
1,70 m groß, einige 1,90 m und darüber. Die
Muskulatur ist kräftig entwickelt, namentlich die
Wadenmuskulatur. Die Statur der Frauen ist
im Gegenteil klein, aber von schönem Ebenmaß.
Die Ovambos treiben fast nur Ackerbau und
Viehzucht. Bei den in der Nähe und unter dem
Einfluß der Missionen lebenden Familien be-
leiligen sich auch die Männer an der Feldarbeit.
Sonst ist die Feldarbeit meist Sache der Frauen
und der größeren Kinder, ebenso die Herrichtung
der Nahrung, Kornstampfen, Bierbrauen, Backen usw.
Die Männer widmen sich mehr der Viehzucht, zum
Teil auch der Jagd. Angebaut werden Korn,
Hirse, Bohnen u. dergl. Die Felder müssen meist
auf die Hoffnung hin bestellt werden, daß der
Regen rechtzeitig einsetzt und dem Boden die er-
forderliche Feuchtigkeit zuführt. Es kommt vor,
daß zu starker Regenfall die Saaten verdirbt.
Leider haben die Jahre 1908 und 1909 in
bisher kaum dagewesener Weise zusammengewirkt,
um im Amboland schwere Hungersnot hervor-
zurufen, welche zahlreiche Opfer forderte. Im
Jahre 1908 verdarb eine entsetzliche Dürre die
meisten Ernten, 1909 wurden durch den überaus
starken Regen die mühsam bestellten Felder über-
flutet und sämtliche Saaten vernichtet. Die
Wasserverhältnisse sind sehr eigentümlich. In der
Trockenzeit, April bis November, ist kaum Wasser
genug für Menschen und Vieh, geschweige noch
für Bewässerung von Ackerland vorhanden; in
der Regenzeit, die etwa die andere Hälfte des
Jahres andauert, steht sozusagen das ganze Land
unter Wasser. Dann tritt der Kunene über seine
Ufer und füllt die zahlreichen, das Land durch-
ziehenden Omuramben (mit Gras bestandene
Wasserrinnen) mit Wasser. Die nicht versickernden
Wassermassen werden auf diese Weise nach der —
bedeutend tiefer als die Kunene-Ufer liegenden —
Etoscha geleitet. Solange die Omuramben „laufen“,
leidet der Ovambo keine Not; denn dann spenden
diese periodischen Flüsse Fische aller Art in reichlicher
Menge, dann wird aus dem Landmann der Fischer,
der in dem flachen Wasser leichte Arbeit hat.
Den Eingeborenen dienen auch die Früchte
der zahlreichen Fruchtbäume als Nahrung; auch
bereiten sie aus den Früchten berauschende Ge-
tränke, die einem starken Schnaps gleichen. Zur
Zeit der Reife dieser Früchte ist nach überein-
stimmenden Angaben der Missionare das ganze
Volk tagelang betrunken. Häufig kommt es dabei
zu Streit und zu Raubzügen zwischen den ein-
zelnen Stämmen.
Die Bewaffnung der Eingeborenen besteht im
allgemeinen aus Vorderladern, Lanze (Assagai),
Pfeil und Bogen, Messer und Kirri. Mit Gewehren
und Munition wurde bis vor kurzer Zeit ein
schwunghafter Handel aus dem portugiesischen
Gebiet getrieben, ein Gewehr mit Munition oft
mit mehreren Ochsen bezahlt. Die Zahl der