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des Areals, geschaffen werden würden, auf sehr viel
billigere Baumwolle ist nach dem Gesagten nicht
zu rechnen. Aber auch das Mehr an Baumwolle,
von dem ich eben gesprochen habe, wird nicht nur
aufgehalten durch den Mangel an Arbeitskräften,
sondern wird auch aufgehalten durch andere
Feinde, wie z. B. den mexikanischen Rüsselkäfer
,Bollweevil“), gegen den man dort, entgegen ge-
wissen Meldungen, die aus Amerika gekommen
sind, ein wirksames Schutzmittel nicht gefunden hat.
Gerade dieses Insekt hat besonders große Ausfälle
in den Ernten verursacht und dringt anscheinend
unaufhaltsam über den Mississippi ostwärts vor.
Wenn nun auch nach und nach an Stelle jener
unrationellen Kontrakte und Methoden bessere
treten werden, was bei der geistigen Unbeweglich-
keit jener Millionen von Negern, die nun einmal
Baumwolle zu bauen verstehen und nichts anderes,
lange Zeit dauern muß, und wenn nach und
nach kapitalkräftigere Unternehmer auch im Baum-
wollbau eine größere Rolle spielen werden, so
liegt gerade darin wieder eine andere Gefahr
für den Verbraucher am Weltmarkt, nämlich die,
daß ihm durch bessere Organisation der Verkäufer
die Preise weiter in die Höhe gesetzt werden.
Hierbei hilft der große Selbstverbrauch in Amerika,
der die Mengen, die dem Weltmarkt zugeführt
werden können, außerordentlich einschränkt. Es
find ja schon mancherlei Versuche gemacht, die nicht
durchaus geglückt sind. Daß sie für eine gewisse
Zeit wohl den Weltmarkt diktieren können, haben
die Corner von Privatspekulanten bewiesen.
Während aber früher mangels entsprechender
Lagerhäuser oder weil die Banken ihr Geld
haben wollten, oder weil eine genaue Kalkulation
den Baumwollpflanzern fern gelegen hat, die Baum-
wolle unmittelbar nach der Ernte auf den Markt
geschafft wurde, der wegen der Masse des vor-
handenen Materials und der Notwendigkeit, es
fortzubewegen, unter einem gewissen Preisdruck
stand, ist nunmehr das genossenschaftliche Zu-
sammengehen der Produzenten, die Herstellung
von Baumwollagerhäusern, die Bevorschussung
auf Warrants und ein gesteigertes ökonomisches
Verständnis am Werke, um auch auf dem Welt-
markte solche Chancen abzupassen, wie sie dem
Verkäufer, der Genossenschaft usw., günstig er-
scheinen. Daß eine solche Organisation, die die
Tendenz hat, die Preise zu erhöhen, eine Annehm-
lichkeit für den europäischen Konsumenten, der
von ihr abhängig wird, bilden könnte, wagt wohl
niemand zu behaupten. Zu welchen Konsequenzen
diese Situation führen wird und schon seit einer
Reihe von Jahren geführt hat, empfinden die
Spinner am eigenen Leibe, mehr noch vielleicht
als der Fabrikant, der Arbeiter.
Ehe ich die Darstellung der amerikanischen Ver-
hältnisse verlasse, will ich nicht verfehlen, auch auf
das große Interesse, welches sowohl die heimische
Landwirtschaft wie die heimische, im wesentlichen
auf Auslandsrohstoffe angewiesene Olmüllerei
an der Lösung unserer Frage hat. Jedem Ballen
Faserbaumwolle entspricht etiwa ½ t Baumwoll=
saat. Einem deutschen Baumwollbedarf von
2200 000 Ballen also 1 100000 t Saat! Diese
enthält etwa 75 v. H. hochwertiges Futtermittel
8325 000 t und etwa 15 v. H. zur Speisefett-
bereitung und Seifenindustrie verwendbares Ol,
also etwa 165.000 t dieser wichtigen Verbrauchs-
stoffe. Der Wert einer Tonne Saat ist etwa 100./
in normalen Zeiten, d. h. bei einer Deckung des
Heimatsbedarfes an Baumwolle aus den Kolonien
würden noch für allein 100 Millionen Mark
Nebenprodukte der deutschen Landwirtschaft und
Industrie nutzbar gemacht werden können.
Wenn auch die ganze Schärfe der vorstehend
gekennzeichneten Situation erst in den letzten
Jahren hervorgetreten ist, so haben doch die vor-
ausschauenden Kaufleute aller Nationen schon
seit langem die Notwendigkeit betont, neue
Produktionszentren zu suchen. Und wohin sollten
sich, nachdem die Welt durch die Abmachungen
der 90 er Jahre definitiv verteilt erschien, die
Blicke der verschiedenen Nationen anders wenden,
als nach den großen, ihnen besonders in Afrika
zugefallenen Gebieten? So hat England und
Frankreich, so hat Deutschland die Versuche auf-
genommen, um zunächst in roher Weise festzu-
stellen, ob diese neu erworbenen Länder wohl
geeignet sein möchten, in größerem Umfange dem
drohenden Rohstoffmangel auch auf diesem Gebiete
abzuhelfen, trotzdem Afrika nur in Agypten, wo
die Kultur auch keineswegs eine alte ist, Baum-
wolle produzierte. Die Versuche sind in England
durch die British Cotton Growing Association,
in Frankreich durch die Association Cotonnière
Coloniale, ferner in Italien, Belgien usw. und
in Deutschland teils durch die Kolonialregierung,
teils durch das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee
vorgenommen worden; das letztere eine Körper-
schaft von gemeinnützig denkenden, kolonialfreund-
lichen Personen aus Industrie und Wissenschaft,
dem bisher der größte Teil der Aufklärungsarbeit
in Deutschland zugefallen ist. In England haben
reiche Spenden Privater und Industrieller, ins-
besondere aber auch Beiträge der englischen
Arbeiterschaft stattgefunden. .
Die entstehenden Lohnausfälle sind selbstver-
ständlich enorm und die organisierte englische
Arbeiterschaft hat deshalb auch schon seit langem
mit Beiträgen, die bis zum Arbeitsverdienst eines
Tages per Monat gehen, nicht gezögert, die Ver-
suche zu unterstützen, welche eine besondere
englische Vereinigung seit Jahren vornimmt, um