Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

W 420 e. 
siert: Alle Bezirke sind in Impfkreise eingeteilt. 
Dem Sanitätspersonal sind Mittel bereitgestellt, 
aus denen es die Kosten für durchschnittlich drei 
Monate dauernde Impfreisen bestreiten kann, 
und es ist Vorsorge getroffen, daß diese Mittel 
im Falle eines Pockenausbruchs entsprechend 
erhöht werden, um eine längere Reisedauer zu 
ermöglichen. Solange nicht ein derartiger Fall 
Ausnahmen notwendig macht, ist eine bestimmte 
Reihenfolge in der Bereisung der Impfkreise 
derart vorgeschrieben, daß jeder im Verlauf von 
fünf Jahren einmal besucht wird. Dadurch wird 
erstrebt, daß wenigstens ein bestimmter Prozent- 
satz der Bevölkerung gleichmäßig Impfschutz erhält, 
wenn auch die Durchimpfung der gesamten Ein- 
geborenen noch nicht erreicht werden kann. Leider 
hat dies Prinzip in den beiden letzten Jahren 
in den Bezirken am Tanganzjika nicht durchgeführt 
werden können, wo die Bekämpfung der Schlaf- 
krankheit das Sanilätspersonal gänzlich in 
Anspruch nimmt. 
Eine ständige Lymphbereitung ist in Dares- 
salam zur Versorgung der Küstenbezirke, in 
Mpapua, jetzt verlegt nach Kilimatinde, zur 
Versorgung der Bezirke an der Baustrecke der 
Zentralbahn seit September 1908 eingerichtet; 
ebenso in Iringa und Neu-Langenburg seit 
Anfang 1909 zur Versorgung der Südbezirke. 
Nach einigen, durch äußere Umstände veranlaßten 
Unterbrechungen, wird der Nordwesten des Schutz- 
gebietes seit den letzten Monaten von Tabora 
und Bukoba aus mit Lymphe versorgt, während 
im Nordosten Moschi für sich allein sorgt. 
Gelegentliche Lymphbereitung hat auf fast allen 
Sanitätsdienststellen stattgefunden, namentlich als 
sich in den beiden letzten Jahren die Pocken fast 
über das ganze Schutzgebiet ausbreiteten. 
Die Erfahrungen, die beim Impfgeschäft und 
bei der Lymphbereitung gemacht worden sind, 
können zwar hier nicht durch exakte Versuchs- 
reihen belegt werden; dazu hat sich bei den 
mannigfachen Anforderungen des hiesigen Sanitäts- 
dienstes bisher fast nie die erforderliche Zeit ge- 
winnen lassen. Aber aus den eingelaufenen 
Berichten lassen sich folgende Ergebnisse zusammen- 
stellen: 
Als Imupftiere sind vorzugsweise Kälber 
benutzt, in einem Fall auch mit Erfolg Hammel 
und in einem anderen Ziegen. Diese Tiere 
werden zum Teil aus dem Gouvernementsvieh 
gestellt, zum Teil von Farmern ermietet (Höchst- 
satz 5 Rupie = 6,66 J/0). Sie nachher zu 
schlachten, hat sich noch nicht als nötig erwiesen, 
zumal Tiertuberkulose nicht vorkommt. Kaninchen 
waren an den meisten Stationen nicht zu erhalten; 
nur in Daressalam ist von ihnen neben meist 
  
negativen Erfolgen zuweilen brauchbare Lymphe 
gewonnen worden. 
Als Ausgangsmaterial dient Kälberlymphe. 
Diese wird immer noch aus Europa bezogen (in 
letzter Zeit in vorzüglicher Beschaffenheit vom 
Hamburger Staatsimpfinstitut), um stets einwand- 
freie Vaccinestämme zur Hand zu haben. Neuer- 
dings ist es in zwei Fällen gelungen, afrikanische 
Variola in Vaccina und in einem Fall in Ovine 
umzuzüchten. Von diesen Stämmen abgesehen, 
über deren Virulenzdauer noch keine Erfahrungen 
vorliegen, hat es sich allgemein gezeigt, daß ein 
ständiger Wechsel von Vaccine auf Menschen, 
von Humane auf Kälber die besten Resultate 
nach Menge und Wirksamkeit der Lymphe ergibt. 
Die verschiedenen Methoden der Beschickung 
des Impffeldes haben keinen Einfluß auf die 
Erzeugung großer Lymphmengen ergeben, ebenso- 
wenig die Höhenlage der Station, die Jahres- 
zeit und die Behandlung der Kälber im Weide- 
gang, im Stall oder gar mit Stoffüberzügen be- 
kleidet. Für die Verarbeitung der Lymphe hat 
sich das von Professor Voigt zusammengestellte 
Impfbesteck vorzüglich bewährt; in Daressalam 
ist neuerdings eine Lymphmühle nach Chalybaeus 
in Gebrauch genommen. Zur Keimverminderung 
und Verdünnung wird nur Glyzerin im Ver- 
hältnis von 3: 1 Rohstoff verwendet. Zur 
Abfüllung sind sterilisierte Kapillaren am meisten 
benutzt. Ob die Hitze beim Zuschmelzen der 
Kapillaren die Lymphe durch chemische Ver- 
änderung des Glhyzerins schädigt, erscheint noch 
nicht sicher nachgewiesen, andrerseits ist der Ver- 
schluß mit Schellack und dergleichen, weil leicht 
abbröckelnd, mehrfach beanstandet worden. In 
letzter Zeit wurde die Abfüllung in sterile Glas- 
röhren zu 0,5 bis 4 cem versucht; sie erscheint 
überall da vorzuziehen, wo genügend Impflinge 
an einem Tage zusammenzubringen sind, denn in 
einem einmal geöffneten und angebrauchten Ge- 
fäß verdirbt die Lymphe anscheinend sehr schnell. 
Die im Schutzgebiet hergestellte Lymphe 
verliert nach allen Berichten auch bei kühler 
Aufbewahrung ihre Wirksamkeit viel schneller, als 
die aus Europa bezogene, oft schon innerhalb 
eines Monats von 100 v. H. auf 30 v. H. und 
darunter. Eine zureichende Erklärung fehlt. Für 
die Praxis hat sich jedoch die Forderung ergeben, 
nur zwei bis drei Wochen alte Lymphe zu ver- 
wenden und die übrige zu vernichten, wenn sie 
in dieser Frist nicht verwertet werden kann. 
Infolgedessen stellt sich die Zahl der im Schutz- 
gebiet bereiteten Portionen Lymphe etwa doppelt 
so hoch, als die unten angegebene Zahl der mir 
ihr ausgeführten Impfungen. 
Nur durch die Erzeugung der Lymphe im 
Schutzgebiet ist es möglich gewesen, die Zahl der
	        
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