Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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Wie gut die Hottentotten die Truppe beob- 
achten konnten, ergab sich aus der Betrachtung 
ihrer Ruheplätze; bis in die Karrasberge hatten 
die Hottentotten stets, wenn die Truppe hielt, 
ebenfalls gehalten und abgekocht; einmal hatten 
sie sogar mit Erfolg Springbockjagd betrieben. 
An besonders günstigen Aussichtspunkten blieben 
einzelne Späher lange zurück und schlossen dann 
in schnellem Laufe wieder auf, wie an den 
Spuren deutlich festgestellt werden konnte. 
Die einzige übersichtliche, daher für den Ver- 
solger günstige Strecke des Wechsels liegt zwischen 
Tsamab und Kubub; die Hottentotten wandten 
hier das gleiche Verfahren wie im Ham an: sie 
bogen plötzlich scharf seitwärts auf einen tafel- 
bergartigen Höhenzug aus und durchschritten dort 
mehrere steile Schluchten. 
Hinsichtlich der Wasserstellen ist der Wechsel 
besonders günstig gewählt. Für die Hottentotten, 
die doch meist in geringerer Stärke als die Ver- 
solger auftraten und entweder keine oder nur 
wenige Tiere hatten, war es erwünscht, wenn 
auf ihrem Wege Wasserstellen lagen, die für sie 
ausreichten, für die Verfolger aber nicht; so war 
es z. B. bei Kubub: Die drei Brunnenlöcher 
führten damals überhaupt kein Wasser. Die 
Hottentotten hatten eine auch uns bekannte Grab- 
wasserstelle im Ham benutzt; die deutsche Abtei- 
lung hätte hier mehrere Stunden arbeiten müssen, 
um genügend Wasser zu erhalten; der Tag mußte 
aber zur Verfolgung ausgenutzt werden. Abends 
kam die Abteilung wieder an eine von den 
Hottentotten benutzte Grabwasserstelle und mußte 
nun bis in die tiefe Nacht hinein graben und 
schöpfen. Diese Wasserstelle war von den infolge 
des starken Nachdrängens ziemlich ermüdeten 
Hottentotten für alle Fälle in weitem Halbkreise 
mit Schanzen umgeben worden. 
Die nächste ergiebige Wasserstelle, Noibis, 
befindet sich in einem schmalen Flußbette, dessen 
Ufer mit großen Klippen bedeckt sind. Dicht 
östlich von den drei Brunnen liegt ein hoher 
Felskegel, der eine weite Aussicht bietet; die 
Hottentotten hatten ihn sowie die auf dem nörd- 
lichen Flußufer von der Truppe früher angelegten 
Schanzen während des Wassernehmens besetzt 
gehalten. 
Den Wechsel Beenbreek— Kubub haben die 
Hottentotten mit kleinen Abteilungen im Jannar, 
mit stärkeren im August und September, teilweise 
auch im Mai 1906 benntzt. 
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Die Lehren, die wir aus der Kenntnis der 
Wechsel ziehen können, sind folgende: Wenn eine 
Abteilung die Spuren von Hottentotten auf- 
genommen hat, wird die nächste Ablösungs- 
  
Abteilung zweckmäßig an einem entlegeneren 
Punkte des Wechsels aufgestellt. Die Hottentotten 
werden zwar bei ihrer vorzüglichen Aufklärung 
eine solche Bereitstellung frischer Kräfte rechtzeitig 
bemerken; erfahrungsgemäß biegen sie aber dann 
nur so weit aus, als es durchaus nötig ist. So 
wurde z. B. bei der erwähnten Verfolgung im 
September 1906 Tsamab bereits besetzt, als die 
Abteilung Grüner noch am Unterlauf des Ham 
vorging. Die Folge war, daß die Hottentotten 
nicht hier, sondern bei Zut-Zut, nur wenige 
Kilometer von Tsamab entfernt, den Ham ver- 
ließen. Jedenfalls wird durch eine solche Auf- 
stellung der Ablösungsabteilung ein unnötiges 
Hin= und Herschieben von Truppen vermieden. 
Jede Abteilung muß sofort nach Ankunft an 
ihrem Bestimmungsorte täglich auf den den 
Wechsel kreuzenden Wegen Spuren schneiden 
lassen. Dadurch wird erreicht, daß sie nicht auf 
das Eintreffen der ersten Abteilung zu warten 
braucht, sondern sofort nach Auffinden der Spur 
die Verfolgung aufnehmen kann; die bisherigen 
Verfolger müssen dann benachrichtigt werden, 
damit sie nicht weiter allen „Widergängen“ der 
Hottentotten folgen, sondern ihr Marschziel auf 
dem nächsten Wege erreichen. 
Ebenso mühssen alle weiter vorwärts liegenden 
kleineren Abteilungen, wie Stationsbesatzungen 
oder an einer Wasserstelle haltende Wagen- 
bedeckungen, benachrichtigt und mit Spuren- 
schneiden auf den die Marschrichtung der Hotten- 
totten kreuzenden Wegen beauftragt werden. So 
wurde z. B. 1906 von den Höhen bei Onder- 
maitje aus der kleinen Besatzung von Durdrift 
der Befehl geblitzt, auf dem Wege nach Osten 
und Westen Spuren zu schneiden; in Verkennung 
des Auftrages wurde die Patronille aber falsch 
geleitet und fiel den Hottentotten in die Hände. 
Zuweilen wird die Abteilung selbst eine Pa- 
trouille zum Spurenschneiden auf einem kreuzenden 
Wege oder bei einer Wasserstelle vorschieben; oft 
wird es möglich sein, eine Patrouille bei Nacht 
und auf Umwegen nach der übernächsten Wasser- 
stelle zu senden; diese würde so schneller vorwärts 
kommen als auf der direkten, meist zerklüfteten 
Strecke und nicht so leicht abgefangen werden; 
am besten werden dazu wohl (nach Art der 
Eclaireurs der Fremdenlegion) bereits im Frieden 
als „Späher"“ ausgebildete Leute verwendet; sie 
müssen hervorragend gewandt, im Spurenlesen 
geübt und so umsichtig sein, daß sie den Hotten- 
totten nicht leicht in die Hände fallen. 
Jedenfalls muß, wenn die Abteilung eine 
freiere Fläche erreicht, das Ende der Spur auf 
dieser Strecke bereits festgestellt sein, damit Um- 
wege vermieden werden und in schnellerer Gang- 
art vorgerückt werden kann, als es bei dem
	        
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