Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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offizier Staadt, nur einen großen weißen Flock. 
Der Grund für die langsam vorangehende Er- 
forschung Kameruns war neben der unzugäng- 
lichkeit des dichten Urwaldes, der den ganzen 
Süden der Kolonie bedeckt, vor allen Dingen die 
verschwindend geringe Zahl in topographischen 
Aufnahmen vorgebildeter Offiziere und Beamten. 
In Erkenntnis dieses Mangels veranlaßte der 
damalige Gouverneur v. Puttkamer, daß alle 
nach Kamerun ausreisenden Offiziere und später 
auch einzelne Beamten schon in der Heimat kurze 
praktische Unterweisungen zum Aufnehmen erhalten. 
Das Resultat dieser Maßregel war überaus günstig. 
Schon nach wenigen Jahren ging beim Reichs- 
Kolonialamt eine derartige Fülle umfangreicher 
und detaillierter topographischer Arbeiten ein, wie 
es bisher in anderen Kolonien beispiellos war, 
und so liegen heute 730 Routenaufnahmen und 
Vermessungen verschiedenster Art, von 215 Auf- 
nehmern herrührend, vor, die im Kartographischen 
Institut von D. Reimer (Ernst Vohsen), aus den 
Feldbüchern in Kartenform übertragen, eine 
Summe von rund 4500 Blättern (46 X 60 cm) 
ergeben. Diese Vorarbeiten nahmen viele Jahre 
in Anspruch und erforderten eine große Zahl von 
Arbeitskräften. 
Nachdem sodann durch die zur Vermessung der 
Landesgrenzen ausgesandten gemischten Kom- 
missionen, deren letzte 1909 zurückkehrte, eine 
große Zahl astronomisch oder geodätisch bestimmter 
Firpunkte rund um das Schutzgebiet geschaffen 
worden war, konnte endlich mit der Konstruktion 
der Karte begonnen werden. 
Die kritische Untersuchung und Kombination 
des umfangreichen Routenmaterials war recht 
mühselig, da naturgemäß die Qualität der ein- 
zelnen Aufnahmen je nach der Veranlagung der 
Aufnehmer sehr verschieden ist. 
Alles in allem legen die Routenaufnahmen 
ein glänzendes Zeugnis ab für die Tatkraft und 
Opferwilligkeit unserer Schutztruppenoffiziere und 
Kolonialbeamten. Aber auch die zu wissonschaft- 
lichen Arbeiten entsandten Forscher sowie Missionare 
und Kaufleute haben sich mit vollem Erfolg an 
der Ausgestaltung des Kartenbildes beteiligt. 
Noben den Routenaufnahmen kamen in ge- 
ringem Umfange Moßgtischblätter, Tachymeter- 
messungen, Theodolitzüge und Vermessungen mit 
Kompaß und Bandmaß zur Verarbeitung. 
Das Fehlen einer großzügigen Landestriangu= 
lation machte den Aufbau des ganzen Kartenbildes 
sohr umständlich und zeitraubend, und die Aus- 
gleichung der geographischen Lage der Ronten-, 
Schnitt= und Treffpunkte mußte oft über große 
Strecken hin ausgeführt werden. Es ist dies ein 
Uvelstand, der leider ganz besonders für Kamerun 
noch für lange Zeit bestehen bleiben wird, da 
  
das tropische Klima — Regenzeit und unsichtige 
Luft im afrikanischen Sommer — und ausgedehmer 
dichter Urwald einer Triangulation ganz unge- 
wöhnliche Schwierigkeiten entgegenstellen würden 
und die Durchführung einer solchen dementsprechend 
abnorme Summen erfordern dürfte, auf deren 
Bereitstellung in absehbarer Zeit wohl kaum zu 
hoffen ist. Aus gleichen Gründen wird man 
auch auf „Flächendeckungen“, d. h. systematisch 
durchgeführte lückenlose Meßtischaufnahmen im 
größeren Umfange und mit hinreichender Ge- 
nauigkeit vorerst noch verzichten müssen, nachdem 
der Generalstab sogar in dem für Meßticch- 
aufnahmen geradezu geschaffenen Südwestafrika 
nach Herausgabe von vier Blättern diese Ver- 
messungen wieder eingestellt hat. Die Routen- 
aufnahme wird somit noch auf viele Jahre hinaus 
als Ersatz für Vermessungen nicht nur ihren Wert 
behalten, man wird vielmehr danach zu trachten 
haben, ihre Zuverlässigkeit, soweit das Haupt- 
wegenetz in Betracht kommt, durch Ausschaltung 
der Uhr als Längenmaß und Benntzung des 
Bandmaßes wesentlich zu erhöhen. 
Die vorerwähnte Verschiedenwertigkeit der 
Aufnahmen geographisch wenig oder gar nicht vor- 
gobildeter Laien spiegelt sich ganz besonders in 
der Auffassung der Geländeformen wieder und 
verbot zum großen Bedauern des Baoarbeiters, 
zumal ausreichende zuverlässige Höhenmessungen 
nicht zu Gebote standen, die Wiedergabe des Ter- 
rains in Isohypsen oder auch nur in „Gefühls- 
Isohypsen“". Durch eine derartige Terraindarstellung 
würde dem Kartenleser eine Genanigkeit vorgetäuscht 
werden, die eine Zusammenarbeitung so verschie- 
denwertiger Aufnahmen, wie im vorliegenden Falle, 
niemals haben kann. So war es denn das einzig 
Richtige, das Terrain lediglich durch „Schumme- 
rung“ zur Darstellung zu bringen. 
In Anbetracht dessen, daß sast alle der Karte 
zugrunde liegenden Aufnahmen mit wenigen Aus- 
nahmen freiwillige Arbeiten sind, daß sie im Neben- 
amt, ohne besondere Kosten zu verursachen und 
von Laien, aus Lust und Liebe zur Sache, aus- 
geführt sind, kann dem neuerdings wieder laut 
gewordenen Wunsch, in den „Begleitworten“ eine 
kritische Wertung der Aufnahmen zu geben, nichl 
Rechnung getragen werden. Es würde sonst wie- 
der der Fall eintreten, daß durch eine derartige 
Kritik, wie sie seinerzeit von dem Bearbeiter der 
ersten Sektionen der Karte von Deutsch-Ostafrik 
geübt worden ist, die gesamte freiwillige Aufnahme 
tätigkeit fast ganz zum Stillstand kommt. Auch au 
die weiter gewünschte kritische Erörterung der 
Karten-Konstruktionselemente muß bei der jetzigen 
Fülle des Materials verzichtet werden, da einmal die 
„Begleitworte“ der einzelnen Sektionen zu ganzen 
Bänden anschwellen würden und anderseits selbst
	        
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