Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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für den Weitermarsch Führer zu erhalten. Beim 
Lagern auf freiem Felde aber ruft man das 
Mißtrauen der Bewohnerschaft leicht wach, denn 
man bleibt nie unbemerkt, und es ist bei diesem 
Modus für beide Teile erheblich schwerer, die 
gegenseitigen Absichten bei einer Annäherung richtig 
zu erkunden. Die Leute kamen uns meist auf 
große Entfernungen schon entgegen, die Dörfer 
liegen alle so, daß sie einen weiten Ausblick ge- 
statten. Wir hatten von der Gegend jenseits des 
Sopa, die sehr stark bevölkert ist, fast immer Be- 
gleitung von einigen 40 Mann bei uns. Die 
Begrüßung besteht aus den Rufen ohe, ohe, hal 
hal hal und wird reichlich angewendet, so daß 
sie uns bald zum Überdruß wurde und uns 
schließlich viel Arger verursachte. Ein Trupp 
Leute kam z. B. an. Schon auf eine Entfernung 
von 50 m begann das ohe usw., das wir pflicht- 
schuldigst erwidern mußten. 10 m weiter das 
gleiche und beim Zusammentreffen dann erst recht. 
Nun liefen sie ein Stückchen voraus, drehten sich 
um und das che begann von neuem. Rutschte 
von uns jemand aus, sofort folgte von allen ein 
aufmerksames ohe. 
Die Zwischenpausen wurden zu Rufen in die 
umliegenden Dörfer verwendet, das immer ein 
einzelner besorgte, und zwar in so jämmerlicher 
Weise, daß es sich anhörte, als sei ihm Vater 
und Mutter gestorben. Hatte sich einer heiser 
geschrien, dann löste ihn ein anderer ab. Da- 
zwischen stießen neue Trupps zu uns, und das 
ohe nahm kein Ende, bis wir endlich, oft erst nach 
Stunden, glücklich im Dorfhause saßen. Das 
Abschiednehmen erfolgte in gleicher Weise, war 
aber zum Glück erheblich kürzer. 
Am anderen Tage erreichten wir nach einem 
angenehmen Marsche, der auch zumeist über Gras- 
berge ging, das Dorf Tubi am Bulong schon 
nachmittags 4 Uhr. Es liegt 1130 m hoch, und 
die Temperatur war morgens ½8 Uhr 24 Grad 
Celsius im Sonnenschein. Hier trafen wir einen 
eingeborenen Missionsgehilfen vom Sattelberg, 
eer mit anderen auf Kulungtufu stationiert ist 
und hier öfters einige Zeit verweilt, um die 
Sprache zu erlernen. Es ist dies sicher eine be- 
wunderungswürdige Leistung von einem Papua- 
christen. Er kochte uns frische Bohnen, die er 
von Kulungtufu mitgebracht hatte, wo auch 
europäische Bohnen, Kartoffeln usw. vorzüglich 
gedeihen. 
Wir hatten nun den Bulong erreicht, welcher 
nach unserer Annahme der letzte Fluß sein mußte, 
der diesseits des Gebirges in die See mündet; 
wir konnten im höchsten Falle nur noch den 
Oberlauf des Adlerflusses zu kreuzen haben. Der- 
selbe reicht aber, wie wir später feststellten, bei 
weitem nicht bis hier herauf. Hier ist es 
  
  
endlich auch am Platze, etwas über die geolo- 
gischen Verhältnisse zu bemerken, die ziemlich einfach 
liegen. Das ganze Gebirge ist Kalk; Korallen 
sind noch bis 700 m anzutreffen. Nur einmal 
trat an einem kleinen Nebenflusse des Bulong, 
dem King, Granit anstehend zutage. Eratische 
Blöcke oder Moränenspuren waren nicht zu be- 
merken, desgleichen fehlten auch alle Anzeichen 
für eine vulkanische Tätigkeit. Der Bulong führt 
zwar kleine Granitstücke und auch einige Steine 
plutonischen Ursprungs mit, allein das Bett selber 
liegt in Kalk, und dieser bildet auch den Haupt- 
bestandteil seines Geschiebes. Kalk war auch in 
der Folge vorherrschend, wir trafen ihn auf 
3000 m an, und man geht kaum fehl, wenn 
man für die höchsten gesichteten Kuppen von 
4000 bis 5000 m auch das gleiche annimmt. 
Die Färbung der durch das Fernglas beobachteten 
Felsen bestätigt dies. Erdbeben scheinen im 
Innern selten zu sein, und das große Beben von 
1906 hat offenbar in diesen Bergen keine Wirkung 
gehabt; die steilen Felswände waren der Ober- 
flächenoxydierung nach schon viel älter, und auf 
den Fußgeröllhalden steht auch schon bedeutend 
älteres Gehölz. 
Wir überschritten den Bulong morgens um 
½10 Uhr auf 980 m Höhe und erreichten nach- 
mittags 1 Uhr das Dorf Kuntunge auf 1800 m 
Höhe, nachdem wir unterwegs in einem kleineren 
Dorfe einmal kurze Rast gehalten hatten. Bis 
hierher war Grasland mit niedrigem, vereinzelt 
stehendem Gebüsch; es gab hier sehr viele Him- 
beeren, die zwar bei weitem nicht den Geschmack 
der europäischen Arten aufweisen, aber immerhin 
noch wohlschmeckend genannt werden dürfen und 
namentlich sehr erfrischend sind. Zahlreiche Felder 
sind überall bemerkbar, auch kleine Dörfer konnten 
allenthalben wahrgenommen werden. Die Früh- 
temperatur betrug 21 Grad, und nachts fanden 
wir es schon ziemlich kalt. Unser Dolmetscher hat 
uns als solcher eigentlich wenig Freude bereitet, 
er war in bezug auf Marschroute immer der 
gleichen Ansicht wie die jeweiligen Eingeborenen, 
und diese wich meistens von der unserigen recht 
erheblich ab. Wollten wir den Leuten einmal 
unsere Meinung in etwas entschiedener Weise 
kundgeben, dann redete er sich darauf hinaus, 
daß er die Sprache nicht mehr verstände. Die 
Sache funktionierte aber sofort vortrefflich, wenn 
es sich darum handelte, ein Schwein zu erwerben, 
dann schwadronierte er, was das Zeug hielt und 
gab Maße an, die das Tier haben sollte, deren 
sich ein rechtschaffener Ochse nicht hätte zu schämen 
brauchen. Aber sonst war er ein ganz williger 
und anstelliger Bursche, der etwas im Tragen 
leistete, dabei schleppte er stets für einige Tage 
Lebensmittel im voraus mit sich herum, die ihm
	        
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